Berlin wirbt um ausländische Fachkräfte
12. Juni 2012Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen ist alarmiert. Seit Monaten gibt es in Deutschland konstant rund eine Million offener Stellen und es dauert immer länger, bis ein freier Arbeitsplatz neu besetzt werden kann. Statistisch gesehen sind es aktuell 72 Tage, das sind 13 Tage mehr als noch vor einem Jahr. Gesucht werden vor allem Fachkräfte, insbesondere Ingenieure, hoch qualifizierte IT-Experten, Ärzte und Altenpfleger.
Seit einem Jahr versucht die Bundesregierung, den drohenden flächendeckenden Fachkräftemangel aufzuhalten. Ministerin von der Leyen sieht sich dabei auf einem guten Weg. "Wir haben einiges gemacht im letzten Jahr mit dem Gesetz zur Anerkennung der ausländischen Berufsabschlüsse und mit dem Gesetz zur Blue Card. Wir sehen aber auch in den Daten, dass die Erwerbsbeteiligung von Frauen steigt und auch die Erwerbsbeteiligung von Älteren ist erfreulich gestiegen."
Bis zu 800.000 Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten
Doch auch wenn ältere Menschen immer länger arbeiten und von den bislang in Teilzeit oder gar nicht beschäftigten Frauen immer mehr eine Vollzeitstelle annehmen, kann absehbar nur dieHälfte der für das Jahr 2025 vorausgesagten drei Millionen offenen Stellen besetzt werden. Deutschland braucht viel mehr Zuwanderer als bisher, die Bundesagentur für Arbeit hat einen Bedarf von rund 200.000 Fachkräften errechnet, die jedes Jahr aus dem Ausland nach Deutschland kommen müssten.
Um diesen Prozess zu beschleunigen, startet die Bundesregierung jetzt über ein Internetportal eine breit angelegte Informations- und Werbeoffensive im In- und Ausland. Unter der Überschrift "Make it in Germany" sollen Bewerber aus der EU und aus Drittstaaten auf ihrem Weg nach Deutschland begleitet werden. Um die Sprachbarriere möglichst niedrig zu halten, ist das Portal größtenteils auf Englisch gehalten. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler weiß, dass Probleme mit der deutschen Sprache das größte Hindernis auf dem Weg nach Deutschland sind. Bewerber müssten aber realistisch sein: "Wir brauchen Fachkräfte, aber es muss möglich sein, sich auf dem Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz auch selber zu suchen und sich zu integrieren und das geht ein Stück weit auch immer über die Sprache. Englisch ist da ausreichend, aber das ist dann auch das Minimum."
Glasklare Spielregeln
Das Portal ist bereits online, es soll auch den Weg für Bewerber ebnen, die vom 1. August an die sogenannte Blue-Card in Anspruch nehmen können. Sie richtet sich an hoch qualifizierte Fachkräfte und Akademiker aus Nicht-EU-Staaten. Zunächst ist eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsgenehmigung vorgesehen, später können die Bewerber und ihre Familien eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis erhalten. Bei guten Deutschkenntnissen soll die Erlaubnis schon nach zwei Jahren erteilt werden. Für die Blue Card gilt eine Mindestverdienstgrenze von rund 45.000 Euro. In Berufen, in denen besonders dringend Arbeitskräfte gesucht werden, reichen 35.000 Euro aus.
Mit der Blue Card, so sagt Arbeitsministerin von der Leyen, seien "die Spielregeln glasklar festgelegt", nach denen man nach Deutschland kommen könne. Trotzdem seien noch einige Fragen zu klären, unter anderem auch, welches die besten Ziel-Länder für die Anwerbung für Arbeitskräfte seien: "Länder mit einer jungen Bevölkerung, mit Qualifikationen, die bei uns gesucht werden. Menschen, die von sich aus auch auf Auswanderung setzen, denn ich denke, das ist eine ethische Frage, dass beide Seiten davon auch einen Gewinn haben müssen."
Mit ihrer Fachkräfteoffensive will die Bundesregierung aber auch im eigenen Land mehr bewegen. Um den Bedarf an qualifiziertem Personal zu sichern, sollen Unternehmen, Gewerkschaften und Verbände zukünftig in regionalen Netzwerken enger zusammenarbeiten. Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen seien noch viel zu wenig darauf eingestellt, dass der demografische Wandel in Deutschland in absehbarer Zeit große Probleme mit sich bringen werde.