Berlinale: "Alcarràs" erhält den Goldenen Bären
16. Februar 2022Die Berlinale hat sich ins Ziel gerettet. Nach allem, was bislang bekannt ist, sind die 72. Internationalen Filmfestspiele Berlin nicht zum Superspreader-Event mutiert - trotz hoher Corona-Infektionszahlen und massiver Kritik an der Durchführung als Präsenzveranstaltung.
Um das Risiko etwas zu minimieren, war der Wettbewerb in diesem Jahr von den sonst üblichen zehn Tagen auf eine knappe Woche verkürzt worden, sodass die Bären nicht erst am kommenden Wochenende, sondern bereits am Mittwoch vergeben wurden.
Strahlende Gewinnerin des Goldenen Bären für den besten Film war die spanische Regisseurin Carla Simón, die in "Alcarràs" Erfahrungen aus der eigenen Familie aufgriff. Die Familie Solé betreibt in dem Film eine Pfirsichplantage, die vom Aufbau von Solarpaneelen bedroht wird. Ihr Ensemble hatte zuvor keinerlei Schauspielerfahrung.
Simóns Familie züchtet tatsächlich selbst Pfirsiche in Alcarràs, weshalb die Regisseurin den Preis allen Bauern widmete, die dafür sorgten, dass andere Menschen Lebensmittel auf dem Tisch hätten.
"Ich betrachte mich jetzt als Tochter der Berlinale", sagte Carla Simón, die hier 2017 ihren Debütfilm "Fridas Sommer" uraufgeführt hatte. Die Jury lobte an "Alcarràs" die "herausragende Darstellung, Zärtlichkeit, Freude und Humor".
Die Hälfte der Preise geht an Werke von Frauen
Nach der Bekanntgabe des Programms des diesjährigen Berlinale-Wettbewerbs war die Zahl der Regisseurinnen hervorgehoben worden. Sieben der 18 Beiträge wurden von Frauen gedreht, vier ihrer Werke wurden mit Bären ausgezeichnet.
Neben dem Goldenen Bären für Carla Simón erhielten Natalia López Gallardo (Preis der Jury für "Robe of Gems") und Claire Denis (Beste Regie für "Avec amour et acharnement") Silberne Bären, auch die indonesische Produktion "Nana" der Filmemacherin Kamila Andini wurde ausgezeichnet, Laura Basuki erhielt den Silbernen Bären für die beste schauspielerische Leistung in einer Nebenrolle.
Während sich in manchen Berlinale-Jahrgängen frühzeitig klare Bären-Favoriten herauskristallisierten, sind die diesjährigen Wettbewerbsfilme sehr unterschiedlich besprochen worden. Entsprechend groß war die Spannung vor der Preisverleihung.
Die deutsche Tragikomödie "Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush" erhielt zwei Bären, die zwei weitere Preisträgerinnen entgegennahmen. Laila Stieler freute sich über die Auszeichnung für das beste Drehbuch. "Um mit Rabiye zu sprechen: Echt jetzt? Gefällt mir", sagte sie und bedankte sich bei Regisseur Andreas Dresen, der mit dem Stoff zu ihr gekommen sei.
Überwältigt zeigte sich Meltem Kaptan, die für ihre Darstellung der Rabiye Kurnaz den Silbernen Bären für die beste Hauptrolle erhielt. Sie dankte ihren Eltern, die ihren Kindern immer gesagt hätten: "Folgt Eurem Weg!" Kaptan, eigentlich Comedienne, ist in dem Film in ihrer ersten Hauptrolle zu sehen und überzeugt mit einem warmherzigen und humorvollen Auftritt der Mutter des deutschen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz. Den Preis widmete sie allen Müttern.
Ein besonderes Kunststück gelang dem südkoreanischen Filmemacher Hong San-soo, der im dritten Jahr in Folge einen Silbernen Bären von der Berlinale mitnimmt. "Ich werde einfach das tun, was ich schon so lange getan habe", sagte der Regisseur und Drehbuchautor, der den Großen Preis der Jury für seinen Schwarz-weiß-Werk "The Novelist's Film" erhielt.
Der Berlinale Dokumentarfilmpreis ging an ein Kollektiv anonymer Filmemacher aus Myanmar für ihr Werk "Myanmar Diaries", das die Unterdrückung in dem Land nach dem Putsch von 2021 dokumentiert. Eine "Special Mention" ("lobende Erwähnung") für herausragende Leistung erhielt außerdem der Film"No U-Turn" des nigerianischen Filmemachers Ike Nnaebue, eine Produktion, die mit Unterstützung der DW Akademie entstanden ist.
Die Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek sagte mit Blick auf die Diskussionen über das Präsenz-Festival während der Pandemie: "Die Nerven haben sich gelohnt." Der künstlerische Leiter Carlo Chatrian sprach von einer "ganz besonderen Nacht". Der Stress der vergangenen Wochen habe sich ausgezahlt: "Ich habe mich belohnt gefühlt."
Ein bisschen Berlinale-Atmosphäre kann das Publikum noch aufschnappen: Die öffentlichen Filmvorführungen werden noch bis zum 20. Februar fortgesetzt.