Feiern für die Umwelt
25. Februar 2019Berlin hat große Pläne: Bis zum Jahr 2050 möchte Deutschlands Hauptstadt CO2-neutral sein. Auch Berlins Clubszene könnte dazu einen wichtigen Beitrag leisten.
Denn die Berliner Clubs stoßen relativ viel CO2 aus: ungefähr 30 Tonnen pro Jahr, laut Berechnungen der deutschen NGO Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Im Schnitt verbraucht ein Club pro Wochenende so viel Strom wie ein Durchschnitts-Haushalt im ganzen Jahr.
Doch für Georg Kössler, Sprecher für Klimapolitik und Clubkultur der Grünen in Berlin, geht es um noch mehr. Er will mehr Menschen dazu anregen, für den Umweltschutz aktiv zu werden.
"Berliner Clubs sind Trendsetter, nicht nur, was die Musik betrifft, sondern auch beim Lifestyle. Und wenn die Leute sehen, oh, die Clubs benutzen keine Plastikstrohhalme mehr, dann fangen sie damit zuhause vielleicht auch an", sagte er der DW.
"Deshalb konzentrieren wir Politiker uns jetzt auf die Clubszene, denn die hat einen großen Einfluss. Tausende Leute in Berlin gehen in Clubs, Tausende Leute kommen nach Berlin wegen den Clubs, daher können wir eine Menge Leute erreichen, wenn wir mit den Clubs zusammenarbeiten und sie nachhaltiger gestalten".
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Berliner Senat finanziert Klimaprojekt
Ein neues Klimaprojekt der Umweltorganisation BUND und dem Verein clubliebe e.V. soll dabei helfen, die Clubs umweltfreundlicher zu machen. Vom Berliner Senat finanziert, beraten Umwelt-Experten die Betreiber und zeigen auf, was sie verändern können.
Dazu gibt es viele Möglichkeiten, vom simplen Wechsel zu einem Naturstrom-Anbieter bis hin zum Einbau energieeffizienter Kühl- und Heizsysteme, der Verwendung von LED Lichtern oder Maßnahmen für einen geringeren Wasserverbrauch und besseres Müllmanagement.
Marcel Weber, Leiter des Schwulenclubs SchwuZ, ist von dem neuen Projekt begeistert.
"Das Thema Nachhaltigkeit ist eine Frage, die uns schon länger umtreibt, und wir haben selber im Club schon einige Sachen umgestellt auf LED Technik. Wir glauben allerdings, dass da noch mehr drin ist", sagte er im DW-Interview. "Wenn man sich mal so anschaut, was man an Müll verursacht in so einem Clubbetrieb, dann ist es auf jeden Fall eine wichtige Frage."
Zwei Tage lang inspizieren Experten von BUND und clubliebe e.V. jetzt gemeinsam mit Weber das SchwuZ, von Tonkabeln bis zu den Kühlschränken, um Wege zu finden, den CO2-Fußabdruck des Clubs zu reduzieren.
"Was cool wäre, ist eine digitale Steuerung etwa von Kühleinheiten, damit die nicht die ganze Zeit durchlaufen, sondern digital gesteuert werden, um Strom zu sparen", so Weber.
In Zukunft will er zudem mehr Produkte bestellen, die nicht in Plastik verpackt sind.
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Beim Tanzen Strom erzeugen
Eine andere Idee: Tanzflächen, die Strom erzeugen. Der holländische Designer Daan Roosegaard hat die sogenannte nachhaltige Tanzfläche erfunden, bei der Bodenfliesen die Energie der Tanzenden aufnehmen und in Strom umwandeln. So eine Tanzfläche ist bereits in einem Club in Rotterdam in Gebrauch.
"Wir wollen diesen Spirit und diese guten Beispiele jetzt auch nach Deutschland bringen”, sagt Konstanze Meyer von clubliebe e.V. und BUND, im Gespräch mir der DW.
Das Problem sei allerdings, dass diese Technologie sehr teuer ist und viele Berliner Clubs nur kurze Mietverträge hätten.
"Sie haben nur sehr kurze Perspektiven und das hält sie oft davon ab, größere Investitionen in energieeffiziente Technologien zu tätigen", so Meyer.
Politiker wie Georg Kössler wollen das ändern.
"Wir haben mehrere Millionen Euro für Klimaschutz in Berlin zur Seite gelegt und von diesem Geld ist noch eine Menge übrig, also wer eine gute Idee hat, sollte sich melden", sagte er.
"Wir haben sogar einen Aufruf an Clubs gestartet. Wenn jemand innovative Ideen hat, die Energie sparen und den Club grüner machen, dann kann man sich für Fördermittel bewerben."
Ferropolis zeigt, wie's geht
Eine Festival-Location in Sachsen-Anhalt zeigt bereits, wie nachhaltige Feierkultur funktionieren kann.
Thies Schröder, CEO des Veranstaltungsorts Ferropolis, hat ein Konzept entwickelt, um Konzerte und andere Events auf der ehemaligen Kohlengrube nachhaltiger zu gestalten. So stammt schon jetzt 70 Prozent des Stroms für die Festivals aus Solarenergie. Das ist eine Menge, wenn man sich vorstellt, wie viel Energie allein die aufwendigen Licht- und Tonanlagen verbrauchen.
Schröder möchte in Zukunft noch mehr Solaranlagen auf Dächern und sogar auf dem See des Geländes bauen. Zudem will er ein effizienteres Wasser- und Abwassersystem entwickeln und testen, ob man den anfallenden Müll energetisch verwerten kann. Das ginge zum Beispiel in einem sogenannten Pyrolyseverfahren, bei dem durch thermo-chemische Spaltungen organischer Verbindungen Energie freigesetzt wird.
Auch menschliche Abfälle könnten als Ressourcen genutzt werden.
"Dazu haben wir seit letztem Jahr zwei Prototypen völlig neuer Toilettenanlagen auf dem Gelände platziert und experimentieren mit einer Trennung von festen und flüssigen Hinterlassenschaften, um zu einer richtigen Verwertungskette zu kommen", so Schröder.
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Außerdem werden die bis zu 30,000 Besucher der Festivals ermutigt, mit dem Zug statt dem Auto anzureisen, sie können auf einem grünen Campingplatz übernachten und sich mit regionaler, veganer Küche versorgen.
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Soziale Verantwortung
Veranstalter, Festivals und Clubs könnten durch solche nachhaltigen Maßnahmen ihre Besucher inspirieren, mehr für den Umweltschutz zu tun. Und die sind dafür offen, wie Konstanze Meyer in einer Umfrage unter Clubbesuchern in Berlin herausfand.
90 Prozent der Befragten gaben dabei an, dass sie sich nachhaltigere Clubs wünschten. Und mehr als 80 Prozent wären bereit, die Clubs dabei zu unterstützen und selbst aktiv zu werden.
Berlins Clubszene hat das Potential, große Veränderungen einzuläuten und Umweltkampagnen zu starten, glaubt Meyer.
"Die Clubszene war schon immer der Kern, von dem viele soziale Bewegungen ausgegangen sind. Man denke nur an die Love Parade, zumindest anfänglich hatte die wirklich politische Botschaften, die dann die gesamte Gesellschaft beeinflusst haben."
Georg Kössler findet, dass die Zeit reif ist für Berliner Clubs, dieses Potential zu nutzen und gegen den Klimawandel zu kämpfen. Viele der Clubs kämen ihrer sozialen Verantwortung bereits nach, indem sie Initiativen für eine offenere Gesellschaft starten, sich für LGBT Rechte und gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit stark machten. Für die Zukunft wünscht sich Kössler, dass Berliner Clubs sich auch für Umweltthemen einsetzen und damit Vorbilder überall auf der Welt werden.
"Ich hoffe, dass andere Städte auf Berlin schauen werden uns sagen, das ist ein gute Idee, wir wollen unsere Clubs auch nachhaltiger machen und nehmen dafür ebenfalls öffentliche Gelder in die Hand, denn das hat einen weitreichenden Einfluss."