Ärztinnen wegen Abtreibungswerbung verurteilt
14. Juni 2019Bettina Gaber und Verena Weyer, die eine gynäkologische Gemeinschaftspraxis betreiben, müssen jeweils 2000 Euro zahlen, wie das Berliner Amtsgericht Tiergarten entschied. Außerdem müssen sie die Kosten des Verfahrens tragen. Das Gericht blieb damit unter dem Strafmaß von 7500 Euro, das die Staatsanwaltschaft gefordert hatte.
Zur Begründung des Urteils erklärte die Richterin Christine Mathiak, die Ärztinnen hätten einen Vermögensvorteil erzielt, indem sie auf der Internetseite ihrer Praxis angaben, dass ein "medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch" zu ihrem Leistungsspektrum gehört.
"Die Sachlage ist einfach", sagte Mathiak. Es sei auch nach der Reform des Paragrafen 219a nicht erlaubt, die Methode der Abtreibung auf der eigenen Webseite zu nennen. Die Ärztinnen hätten nur angeben dürfen, dass in der Praxis Abtreibungen möglich sind, nicht aber, in welcher Form. Die Richterin betonte, dass sie das Gesetz nicht für verfassungswidrig hält, wohl aber für politisch sehr kontrovers. Ihrer Ansicht nach sei das durch die Ärztinnen verübte Unrecht nur "sehr, sehr gering", fügte Mathiak hinzu.
Auch nach Novelle viel Unzufriedenheit
Die Ärztinnen zeigten sich enttäuscht über das Urteil und kündigten an, dagegen vorzugehen - notfalls wollen sie bis zum Bundesverfassungsgericht ziehen. Sie sind der Auffassung, dass das Gesetz gegen die Berufsfreiheit, die Meinungsfreiheit und die Informationsfreiheit von Patientinnen verstößt. Vor Beginn der Verhandlung hatten mehr als hundert Teilnehmer einer Protestkundgebung den Freispruch der Frauen gefordert sowie die komplette Streichung des Paragrafen 219a des Strafgesetzbuches.
Der Bundestag hatte nach langem Ringen im Februar eine Reform des Gesetzes und damit eine Lockerung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche beschlossen. Ärztinnen und Ärzten ist es nun erlaubt, darüber zu informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Für weitere Informationen, etwa über Methoden, müssen sie aber an dafür befugte Stellen wie die Bundesärztekammer verweisen.
In einer ersten Reaktion auf das Urteil kritisierte die Berliner Ärztekammer die bestehende Rechtslage. Auch der reformierte Paragraf kollidiere noch mit dem berechtigten Informationsanspruch der schwangeren Frauen, erklärte die Kammer. Aus ärztlicher Sicht sei eine möglichst umfassende, sachliche Information und Aufklärung insbesondere bei einem derart weitreichenden Eingriff geboten.
Die Linke in Berlin beklagte, es sei weiterhin keine Rechtssicherheit für Ärzte und "erst recht keine Informationsfreiheit für Frauen" gegeben. Wie Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) sprach sich die Fraktion erneut für eine Streichung aus. Behrendt kündigte zudem an, er werde dem Senat vorschlagen, die Bundesratsinitiative zur ersatzlosen Streichung des Paragrafen erneut auf die Tagesordnung setzen zu lassen. Diese Initiative war zuvor ins Leere gelaufen, ebenso die Ankündigung der FDP, gegen Paragraf 219a zu klagen. Die FDP hatte die Klage unter Verweis auf zu geringe Erfolgsaussichten nicht eingereicht. Für die Beibehaltung des Werbeverbots für Abtreibungen hatte sich die katholische Kirche ausgesprochen.
ie/jj (afp, kna,epd, dpa)