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Besessener Kinofreak: Bernd Eichinger

Jochen Kürten16. September 2012

Der deutsche Produzent und Drehbuchautor Bernd Eichinger starb 2011 im Alter von 61 Jahren. Er hinterließ eine große Lücke im deutschen Filmbetrieb. Jetzt hat seine Witwe ein Buch über ihn geschrieben.

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Der Produzent Bernd Eichinger hält während des Deutschen Filmpreises 2010 in Berlin die "Lola" in der Kategorie "Ehrenpreis" in der Hand. (Foto: dpa/lbn)
Bild: picture-alliance/dpa

Fassbinder starb, als Eichinger durchstartete. Deutschlands kreativster und bekanntester Filmregisseur der Nachkriegszeit, Rainer Werner Fassbinder, konnte 1981 gerade noch seinen letzten Film "Querelle" beenden. Ein paar Monate später endete sein von Drogen, Alkohol, Sex und manischer Arbeitswut geprägtes Leben. Bernd Eichinger, 2011 verstorben, legte mit dem Film "Die Kinder vom Bahnhof Zoo" im gleichen Jahr erst richtig los. Das Drogendrama aus dem West-Berliner Fixermilieu wurde zum Millionenerfolg und zum Startpunkt einer überaus erfolgreichen Produzentenkarriere. Auch Eichinger trank, rauchte exzessiv, führte ein Leben wie im Rausch.

Die zeitliche Überschneidung der Eckpunkte in den Film-Karrieren beider mag Zufall sein - doch der Beginn der 1980er Jahre war zweifellos eine Zeitenwende im deutschen Film. Der Tod Fassbinders läutete das Ende des Neuen deutschen Films ein, jener Erneuerungsbewegung im Nachkriegskino, das dem seichten Unterhaltungsfilm nach dem Zweiten Weltkrieg den Garaus gemacht hatte. Eichingers Produzentenkarriere hingegen, die ihn bis nach Hollywood und zu Oscar-Nominierungen führen sollte, begann in dieser Zeit. Sie knüpfte an filmwirtschaftliche Strukturen der Nachkriegszeit an.

Szene aus "Der Untergang" mit Bruno Ganz (l.) (Foto: dpa)
Umstritten wie so viele von Eichinger produzierte Filme: "Der Untergang"Bild: picture-alliance/dpa

Im Rückblick nun, den die Bernd Eichinger-Biografie seiner Witwe eröffnet, lassen sich diese letzten Jahrzehnte deutsche Filmgeschichte gut nachvollziehen. "BE" hat Katja Eichinger ihr Buch schlicht betitelt und wenn man es liest, ist die erste Erkenntnis diese: Hier war ein Filmverrückter am Werk, der sich ganz und gar dem Kino verschrieben hatte, der fast genauso exzessiv das Leben auskostete wie Fassbinder, dessen Karriere große kommerzielle Erfolge verzeichnete, der aber wohl unter einem beständig litt - der mangelnden Anerkennung durch das deutsche Feuilleton.

Die Beziehung zwischen Bernd Eichinger und der deutschen Filmkritik war lange Zeit geprägt von Missachtung und Spott. Das hat Eichinger, trotz aller Erfolge an den Kassen, gekränkt. Erst kurz vor seinem Tod - und dann auch in den Nachrufen - hat Eichinger diese Anerkennung bekommen. Die Ehrung fürs Lebenswerk beim Deutschen Filmpreis 2010 hat er noch miterlebt. Die vielen versöhnlichen Texte, die nach seinem Tod geschrieben wurden, nicht mehr. Eichinger war einzigartig und wohl auch sehr wichtig in der deutschen Filmszene - das haben viele lange nicht anerkennen wollen.

Buchcover von "BE" (Foto: Hoffmann und Campe)
Bild: Hoffmann und Campe

Eichinger kümmerte sich nicht nur ums Geld

Er war der Einzige in Deutschland, der große Produktionen mit Millionenbudget stemmen konnte, der immer wieder Hollywood mit ins Boot holte, dessen Produktionen das Publikum in Scharen anzogen. Er war ein Produzent alter Schule, der sich eben nicht nur ums Geld kümmerte, sondern Projekte anstieß, der Stoffe und Romane auswählte, sich Rechte und Lizenzen gegen größte Widerstände erkämpfte. Eichinger konnte beides: das Finanzielle und das Kreative. Und doch: Seine Filme dürften bei den meisten Chronisten einer künstlerisch geprägten Filmgeschichte kaum Spuren hinterlassen haben. "Der Name der Rose", "Das Geisterhaus", "Fräulein Smillas Gespür für Schnee", der umstrittene "Der Untergang" und auch Tom Tykwers "Das Parfum" - sie alle waren finanzielle Erfolge, doch kaum so wegweisend wie die Werke eines Fassbinder, eines Wim Wenders, eines Werner Herzog.

Szene aus Tykwers "Parfum"(Foto: Constantin Film/dpa)
Eichinger produzierte 2006 die Bestseller-Verfilmung "Das Parfum", Regie: Tom TykwerBild: picture-alliance/dpa

Auch diese Regisseure hatte er - quasi als Übung - in seinen ganz frühen Jahren gefördert und unterstützt. Doch Eichinger wollte dann irgendwann zu neuen, größeren Ufern aufbrechen. Er wollte große Filme fürs große Publikum, er wollte Unterhaltung für die Massen - und das durchaus auch mit anspruchsvolleren Stoffen. Das hat er umgesetzt, das hat er gekonnt. Dass er dann zwischen diesen Großprojekten als Produzent viele, viele andere, sehr kommerzielle und seichte Filme gefördert hat - Titel wie "Gib Gas - Ich will Spaß", "Feuer, Eis und Dynamit", "Manta, Manta", "Werner - Beinhart!", "Ballermann 6" -, das wird in Katja Eichingers Buch im Übrigen nicht oder nur ganz am Rande erwähnt. Auch das ist wohl bezeichnend.

Zwei Pole der deutschen Filmgeschichte

Und so kommt man zu dem Fazit, dass Eichingers Leben ungemein aufregend und abwechslungsreich gewesen sein muss, dass hier ein Besessener am Werk war, der sich wohl irgendwann auch verausgabt hatte. All die Höhen und Tiefen seiner Vita, die Aufs und Abs in Hollywood und Deutschland, die Ehrungen und finanziellen Nackenschläge, die pompös inszenierten Feste und intensiven Sauf- und Bordelltouren - all das hätte einen grandiosen Film ergeben. Den hätte aber einer wie Fassbinder drehen müssen. Die von Bernd Eichinger produzierten Filme hatten nur selten diese Intensität und künstlerische Kraft. Fassbinder, ein Seelenverwandter des Produzenten, hätte das wohl gemeistert. So sind Fassbinder und Eichinger die beiden wichtigsten Pole des deutschen Kinos nach dem Krieg. Das weiß man heute - nach dem Tod der zwei Protagonisten.

Katja Eichinger: BE, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2012, 576 Seiten, 24,99 Euro, ISBN 978-3-455-50253-4.