Besuch eines künftigen Bündnispartners
21. Mai 201347 Jahre - so lange empfingen die USA keinen Regierungschef aus dem Land, das die meisten immer noch Birma nennen. "Ein historischer Besuch", jubeln Experten wie Ernest Bower vom Center for Strategic and International Studies (CSIS). Und das, obwohl der Besuch des myanmarischen Präsidenten Thein Sein keine bahnbrechenden Ergebnisse brachte, nicht einmal eine Pressekonferenz der beiden Präsidenten gab es. Hinter den Kulissen aber sind die USA dabei, sich mit Myanmar einen Partner von großer geopolitischer Bedeutung aufzubauen.
Chinas Schatten
Eine der ersten Amtshandlungen Thein Seins als Präsident war 2011, die Pläne für einen riesigen Staudamm auf Eis zu legen. In den USA erregte das Aufmerksamkeit, denn hinter den Plänen stand China. Der neue Staatschef schien sich aus der Umklammerung des riesigen Nachbarn lösen zu wollen. Diese kleine Öffnung wollten die Amerikaner so schnell wie möglich nutzen, auch weil Obama den neuen Schwerpunkt seiner Militärpräsenz in den asiatisch-pazifischen Raum verlegt hat. Ein klares Zeichen Richtung China, das seinen Militäretat in den vergangenen zehn Jahren um 175 Prozent erhöht hat.
Zwei Monate nach der Staudamm-Entscheidung stand die damalige US-amerikanische Außenministerin Hillary Clinton auf dem Rollfeld der myanmarischen Hauptstadt Naypyitaw und damit 800 Kilometer entfernt von der indischen Grenze und 400 Kilometer entfernt von China. Diese Lage ist Teil des geostrategischen Reizes des Landes, erklärt Bower. "Wenn wir über das neue Paradigma sprechen, das die neue amerikanische Geisteshaltung zu Asien und den Indo-Pazifik bestimmt", erklärt er, "dann ist Myanmar das Bindeglied zwischen Südasien und dem Fernen Osten." Hinzu kommt, dass das reichhaltige Rohstoffangebot in Myanmar potentielle zukünftige Handelsbeziehungen in einem rosigen Licht erscheinen lässt.
Obamas Drahtseilakt
Aber für Obama haben die frischen Bande zum Militärstaat nicht nur Vorteile. Er muss einen Drahtseilakt hinlegen: Einerseits die überschaubaren Demokratisierungsschritte unterstützen, andererseits die nach wie vor katastrophale humanitäre Lage in Myanmar anprangern, wo unter anderem die muslimische Minderheit nach wie vor brutal unterdrückt wird. Trotzdem ist Bower hoffnungsvoll, er glaubt, dass Präsident Thein Sein die Reformen wirklich will und nicht nur vorgaukelt, um die Aufhebung von US-Sanktionen zu bewirken: "Ich glaube, er hat sich wirklich verpflichtet zuerst politische Reformen durchzuführen und das ist untypisch für Asien, da stehen normalerweise wirtschaftliche Reformen im Vordergrund."
Die politischen Proteste innerhalb der USA zum relativ Myanmar-freundlichen Kurs Obamas sind eher verhalten und kommen, kurioserweise, von ganz rechts und ganz links, also aus den Randbereichen der beiden amerikanischen Parteien. Sie fordern, den Kontakt mit Myanmar nicht zu stark zu vertiefen. Aus humanitären Gründen sagen die Demokraten, aus militärischen die Republikaner. Einige Menschenrechtsorganisationen halten den Besuch für verfrüht, denn so würde Reformdruck vom Regime in Myanmar genommen.
Spalt in der Tür weiter öffnen
Die überwiegende politische Mehrheit aber folgt der amerikanischen Tradition, Staaten, die erkennbar versuchen, von ihrer undemokratischen Vergangenheit abzurücken, unter ihre Fittiche zu nehmen. Trotzdem trauen viele den Bemühungen nicht, immerhin hat Präsident Thein Sein bisher nur einige der zahlreichen Versprechen erfüllt. Auf der Haben-Seite steht zum Beispiel die Freilassung politischer Gefangener, auf der Soll-Seite die Blockade eines Büros des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Myanmar.
Die Obama-Administration ist in der Summe aber offenbar bereit, das Glas nicht als halbleer, sondern als halbvoll zu betrachten. Sie hat die Öffnung in Myanmar genutzt - diesen ersten Spalt in der Tür seit einem halben Jahrzehnt - und ihren Fuß hinein bekommen. Jetzt geht es darum, diese Öffnung zu vergrößern, im Interesse Myanmars, aber auch im Interesse der USA.