Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr?
2. Mai 2013Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) hat eine klare Vorstellung davon, wofür die Bundeswehr bewaffnete Drohnen braucht. Das Beispiel, das er im Parlament vorbrachte, ging so: Spezialkräfte der Bundeswehr rücken aus, um Terroristen zu fassen. Dabei werden sie von einer Drohne begleitet, die den Einsatz aus der Luft beobachtet. Geraten die deutschen Soldaten in Gefahr, dann kämpft die unbemannte Drohne aus der Luft mit, feuert ferngesteuert Raketen ab.
Ohne diese bewaffnete Drohne - so ist es bisher - müssen die Soldaten ein bemanntes Kampfflugzeug zur Unterstützung anfordern. Das komme dann "10 oder 15 Minuten später", so de Maizière, sei nicht so präzise und gefährde das Leben der Soldaten. "Das wollen wir nicht." Besäße die Bundeswehr bewaffnete Drohnen, so das Resümee des Ministers, dann wären die Soldaten im Einsatz besser geschützt. Außerdem beschränkt sich das Verlustrisiko, so die nüchterne Analyse der Militärstrategen, auf das Fluggerät.
Teurer Einkauf im Ausland
Kaufen könnte die Bundesregierung die begehrten "unbemannten Luftfahrzeuge" in den USA oder Israel. Von der israelischen Luftwaffe hat die Bundeswehr drei Drohnen vom Typ "Heron" geleast, die sie zur Luftaufklärung in Afghanistan einsetzt; sie sind unbewaffnet. Beim Verbündeten USA fragte die Bundesregierung bereits Anfang 2012 an, ob sie drei Drohnen vom Typ "MQ-9 Reaper" bestellen könne. "Reaper" ("Sensenmann") kann mit Luft-Boden-Raketen oder Präzisionsbomben bestückt werden. Eine solche Drohne aus der Produktion des US-amerikanischen Herstellers "General Atomics" kostet etwa 4,5 Millionen US-Dollar.
Diesen Rüstungsexport muss der US-Kongress genehmigen, der inzwischen grünes Licht gegeben hat. Das bedeute aber nicht automatisch, so de Maizière bei seinem Besuch in Washington Ende April, dass die Bundesregierung die US-Drohnen tatsächlich kaufen werde. Eine Entscheidung werde "definitiv nicht mehr vor der Bundestagswahl getroffen". Zum einen sind noch eine Fülle von rechtlichen, finanziellen und ethischen Fragen ungeklärt. Zum anderen will die Regierung nicht, dass ihr das Thema im Wahlkampf auf die Füße fällt.
Zu welchem Zweck?
Auch wenn die Bundesregierung noch keinen Kaufvertrag geschlossen hat, so bereitet sie die Anschaffung von bewaffneten Drohnen doch zweifellos vor. Das irritiert die Opposition im Bundestag, die bereits mehrere Debatten zu dem Thema veranlasst hat. Dabei zeigte sich, dass alle drei Oppositionsparteien den Kauf dieses Waffensystems kritisch sehen oder gänzlich ablehnen.
Die Sozialdemokraten bezweifeln, dass die Bundeswehr diese Drohnen wirklich braucht und fragen nach dem militärischen Szenario, in dem sie eingesetzt werden sollen. Im europäischen Luftraum sind bewaffnete Drohnen nicht erlaubt, der Kampfeinsatz in Afghanistan endet im kommenden Jahr. Die Möglichkeiten der Anwendung sind also sehr überschaubar.
"Mit einer bewaffneten Drohne kann man niemanden gefangen nehmen", argumentierte der SPD-Verteidigungspolitiker Hans-Peter Bartels im Bundestag. "Man kann nur beobachten und gegebenenfalls zielgenau töten." So verfährt etwa der US-Geheimdienst CIA, wenn er Terroristen im Jemen jagt. Juristen halten das für einen klaren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht. "Das Kampfdrohnen-Szenario der CIA kommt für uns in Deutschland nicht infrage", so Bartels.
Angeblich zielgenau
Die Tötung Hunderter unbeteiligter Zivilisten durch US-amerikanische Kampfdrohnen in Pakistan, im Jemen und in Somalia empört viele deutsche Parlamentarier. Das sei eine "völlige Entgrenzung" des Kriegs, kritisiert Jan van Aken von der Linkspartei. "Das sind alles Einsätze, die niemals mit Kampfflugzeugen geflogen worden wären", ist van Aken überzeugt. Zum einen wegen des Risikos für die Piloten, zum anderen seien die USA mit Pakistan, Somalia und dem Jemen nicht im Krieg.
Ein bewaffneter Konflikt wie in Afghanistan ist die völkerrechtliche Voraussetzung für den Einsatz dieser und anderer Waffen. Ob die Rakete von einem Kampfpiloten abgefeuert wird oder von einem Soldaten in einer weit entfernten Basisstation: Zwischen Kombattanten und Zivilisten muss in jedem Fall unterschieden werden. Mit dem rasant zunehmenden Einsatz von Drohnen, so fürchten Völkerrechtler, wird der Schutz der Zivilbevölkerung noch schwieriger als bisher.
Die "Robotisierung" des Kriegs
UN-Sonderberichterstatter Philip Alston beschrieb 2010 genau diese Gefahr beim Einsatz von Drohnen: Es könne sich eine "Playstation-Mentalität des Tötens" herausbilden, wenn die Operation ausschließlich über Computerbildschirme und Audioleitungen ausgeführt werde. Die Hemmschwelle zur Anwendung militärischer Gewalt werde sinken, befürchtet auch die Opposition in Berlin.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Drohnen der Zukunft immer intelligenter und autonomer werden: Sie fliegen eigenständig vorher programmierte Einsätze, starten und landen selbstständig. Das könnte bedeuten, kritisieren die Grünen, dass "bewaffnete automatisierte Systeme losgelöst von einer nachvollziehbaren Befehlskette" agierten. Am Ende sei dann niemand verantwortlich, wenn Unschuldige zu Schaden kämen.
Es sei wahr, dass auch Zivilisten durch dieses Waffensystem getötet wurden, räumte Verteidigungsminister Thomas de Maizière im Bundestag ein. Aber das habe nichts mit dem Einsatz der Drohne zu tun. "Es gibt Millionen von unschuldigen Opfern von Kriegen." Unverständnis äußerte er für die Kritik am "gezielten Töten" durch die Drohnen. "Der Sinn des Zielens ist, dass man trifft, was man treffen will." Die Deutschen wüssten aus eigener Erfahrung, wie schrecklich Flächenbombardements seien.
Da der globale Markt für bewaffnete Drohnen rasant wächst, denken europäische Rüstungskonzerne über einen Einstieg in das milliardenschwere Geschäft nach. Der Kauf und die Nutzung solcher Systeme in den eigenen Armeen ist der erste Schritt dahin. Die Opposition im Bundestag warnt die Bundesregierung davor, an der Rüstungsspirale zu drehen. Diese Waffensysteme sollten geächtet werden, fordert die frühere Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD). "Europa hat nicht den Friedensnobelpreis dafür erhalten, dass es neue Waffensysteme exportiert."