Wurst ist tot, es lebe der Fleischersatz?
4. Mai 2019Sie sehen aus wie Fleisch, sie riechen wie Fleisch und sie "bluten" beim Reinbeißen sogar - die veganen Burger-Pattys des US-Unternehmens Beyond Meat (Deutsch: Jenseits von Fleisch). Das vermeintliche Blut ist jedoch Rote-Beete-Saft und das Fleisch aus Erbsenproteinen hergestellt. Ob sie wie Fleisch schmecken - da sind die Meinungen noch etwas gespalten.
Klar ist aber: US-Anleger haben großen Appetit auf die Aktien des Fleischersatzproduzenten Beyond Meat. Mit 25 Dollar pro Aktie ging das Unternehmen am Donnerstag an die US-Börse und schon am ersten Tag hatte sich der Wert auf 65,75 Dollar pro Aktie mehr als verdoppelt.
Einer der frühen Unterstützer des Unternehmens ist neben Bill Gates und Leonardo Di Caprio auch der ehemalige McDonald's Chef Don Thompson. Wenn selbst der Ex-Manager einer der größten Fleischverkäufer der Welt eine vegane Burger-Alternative unterstützt, kann man dann schon von einer Trendwende sprechen? Sind wir gar mitten in einer vegan-vegetarischen Ernährungsrevolution?
Fleischkonsum soll sich bis 2050 verdoppeln
Wohl eher nicht: Die UN-Welternährungsorganisation (FAO) nutzt den Begriff "Ernährungsrevolution" zwar auch, allerdings für genau den gegenteiligen Trend. "Die Welternährungswirtschaft wird zunehmend durch die Verschiebung der Ernährungsgewohnheiten hin zu tierischen Produkten wie zum Beispiel Fleisch, Milch und Milchprodukten getrieben", heißt es in einem der jüngsten Berichte der UN-Organisation.
In Entwicklungsländern steigt der Pro-Kopf-Konsum von Fleisch jährlich um fünf bis sechs Prozent. Prognosen gehen davon aus, dass sich der Verzehr von Fleisch bis zum Jahr 2050 sogar verdoppeln wird.
Und trotzdem - oder gerade wegen dieses Trends - setzen viele Experten, Aktivisten und Unternehmer ihre Hoffnungen in vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte. Nur zwei Tage vor dem Börsenstart von Beyond Meat wurde bekannt, dass die Fast Food-Kette Burger King zukünftig einen pflanzlichen Burger verkaufen wird, den "Impossible Whopper".
Auch diese Burger sollen extrem an echtes Fleisch erinnern. Seit März 2016 ist der US-Markt für pflanzliches Fleisch um 42 Prozent gestiegen, während der Umsatz von herkömmlichen Fleisch im gleichen Zeitraum nur um ein Prozent stieg.
"Wurst ist die Zigarette der Zukunft"
Weitere Erfolgszahlen finden sich schnell: In Großbritannien wurden im vergangenen Jahr 18 Prozent mehr Fleischersatzprodukte verkauft als 2017, während die Verkaufszahlen für traditionelles Fleisch um zwei Prozent zurückgingen. Ikea will seine Köttbullar bald in einer pflanzlichen Variante anbieten und auch in Deutschland ist der Markt für Fleischersatzprodukte im vergangenen Jahrzehnt gestiegen, während der für Milchprodukte und Fleisch stagniert beziehungsweise sogar rückläufig ist.
Der Chef einer der traditionsreichsten Fleischhersteller Deutschlands, Christian Rauffus von der Rügenwalder Mühle, sagte schon 2014: "Wurst ist die Zigarette der Zukunft". Schaut man heute auf die Webseite des Unternehmens, dessen Firmenlogo eine Windmühle mit Flügeln aus Würsten ist, werden einem zunächst die vegetarischen Wurstprodukte sowie Rezeptvorschläge für vegetarische Gerichte angezeigt. Mittlerweile hat das Unternehmen mehr vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte im Sortiment als solche, die mit Tierfleisch hergestellt worden sind.
Fast ein Viertel der weltweiten Treibhausemmissionen stammen aus der Landwirtschaft
Der Trend beschränkt sich derzeit zwar nur auf die Industrieländer, ist aber ein wichtiger Schritt, sagt Professor Guido Ritter, Professor für Ernährungswissenschaften an der Fachhochschule Münster: "Die Entwicklung einer alternativen Proteinversorgung ist dringend notwendig, weil wir auch Vorbild sind für andere Länder, in denen der Fleischkonsum parallel zum Bruttoinlandsprodukt steigt."
Auch Dirk Zimmermann, Landwirtschaftsexperte bei der Umweltorganisation Greenpeace liest Nachrichten wie die des erfolgreichen Börsenstarts von Beyond Meat gerne: "Jeder Schritt in Richtung weniger Fleischkonsum ist ein guter", so Zimmermann gegenüber der DW. "Natürlich kann man Fleischersatzprodukte kritisch sehen, aber so bekommt man das in die Breite."
Dass der globale Hunger auf Fleisch und Tierprodukte der Erde und vor allem dem Klima nicht gut tut, ist relativ klar: Fast ein Viertel der weltweiten Treibhausemmissionen stammen aus der Landwirtschaft, davon 14 Prozent alleine aus der Tierhaltung. Würden die Menschen kein Fleisch mehr essen, hätte man also bereits viel eingespart.
Fleischersatzprodukte als Brückentechnologie
Aber auch ein Erbsen-Burger-Pattie wie die der nun hochgelobten US-Firma fällt ja nicht vom Himmel, auch der muss hergestellt werden, die Erbsen geerntet, sortiert, transportiert, weiter verarbeitet und letztlich eingepackt werden. Aber: "Es gibt kaum etwas Ineffizienteres, als Säugetiere für die Proteinerzeugung zu nutzen", so Ernährungsprofessor Guido Ritter: "Wenn man ein Tier füttert, um Proteine zu erzeugen, wird das im Vergleich dazu, dass man die pflanzlichen Proteine auch direkt essen kann, immer mit Verlusten bei den Ressourcen einhergehen."
Ritter hält Fleischersatzprodukte für eine Brückentechnologie, die auch absolute Fleischliebhaber überzeugen könne, auf tierische Proteine zu verzichten. Eine Studie des US-Unternehmens Beyond Meat unterstützt diese Theorie. So hätten 93 Prozent der Kunden, die die Fleischersatzprodukte gekauft haben, im Erhebungszeitraum ebenfalls Fleischprodukte gekauft, schreibt Beyond Meat. Konsequent lässt das US-Unternehmen seine Fleischersatzprodukte in den Supermärkten einfach in der Fleischabteilung auslegen.
"Es gibt kein Grundrecht auf Fleisch"
So positiv diese Zahlen klingen: Alleine der Ersatz von Fleisch durch Ersatzprodukte werde nicht ausreichen, sagt Ernährungswissenschaftler Guido Ritter. "Wir müssen unseren Lebensstil überdenken. Ernährung ist politisch und schon lange keine Privatsache mehr. Alles, was ich konsumiere, hat Auswirkungen auf den Planeten und die Menschen", so Ritter und fügt hinzu: "Es gibt kein Grundrecht auf Fleisch."
Guido Ritter, der an der Fachhochschule Münster als wissenschaftlicher Leiter des sogenannten Food Labs auch Ernährungstrends für die Zukunft erforscht, sagt, eine Renaissance von regionalen Pflanzen - wie in Deutschland beispielsweise der Lupine - sei unvermeidbar, um auch in Zukunft den Proteinbedarf aller nachhaltig decken zu können. "Die Ernährung der Zukunft wird keine Astronautennahrung sein - im Gegenteil. Wir werden uns zurückbesinnen auf Produkte und Pflanzen, die wir schon von vor 1950 kennen."