Sauna für Bienen ist Gift für Schädlinge
30. Dezember 2014Die Lage ist ernst: In den USA hat Präsident Barack Obama persönlich die zuständigen Bundesbehörden angewiesen, alles zu tun, um die Lebensbedingungen für Bienen zu verbessern. Zuletzt warnte der Deutsche Bauernverband vor einem Massensterben an Bienenvölkern in diesem Winter. Falls die Temperaturen nicht weiter sänken, werde sich die Varroamilbe stark vermehren. Bereits in den vergangenen Jahren waren durch die Parasiten zehn bis 15 Prozent der Bienenvölker vernichtet worden. "Das ist eine schreckliche Nachricht", urteilt Richard Rossa, obwohl gerade die Katastrophe sein Geschäft ankurbeln könnte: "Wenn man Bienen gesehen hat, die von der Milbe befallen wurden, dann kann man sich nur gruseln."
Die ursprünglich aus Asien stammenden Schmarotzer bedrohen weltweit Bienenvölker. Sie saugen das Blut ihres Wirtes, bis er stirbt. "Ein grausamer Prozess", findet Rossa. Er habe Bienen gesehen, denen drei Parasiten gleichzeitig am Leibe hafteten. Die angefallenen Tiere sehen zunächst zerzaust aus, ihre Bewegungen sind ungelenk, schließlich trocknen sie aus. Rossa leidet spürbar, wenn er das erzählt. Als Imker war er betroffen - und wollte etwas ändern. Rossa ist promovierter Ingenieur, ein Tüftler. Um in Ruhe seine Erfindungen perfektionieren zu können, hat er sich nach Schweden zurückgezogen. "Ich spreche kaum Schwedisch", entschuldigt er sich. Aber seinem Ziel, die Bienen zu retten, ist er in der Abgeschiedenheit sehr nahe gekommen, dank der "Bienensauna".
Milbenbehandlung kann Tierquälerei sein
"Hyperthermie im Bienenstock wurde schon vor Jahrzehnten in Russland und der DDR angewendet. Heiße Luft wurde in den Bienenstock geblasen, die Milben fielen ab. Allerdings waren die Geräte größer als Kühlschränke, nicht transportabel und dadurch nicht imkerfreundlich", so Rossa. Heute benutzen Imker gängige Spritzmittel wie Ameisen- und Oxalsäure, um der Plage Herr zu werden. Die Säure verätzt die Milben, aber auch die Bienen leiden: "Die Augen, die Füßchen sehen aus wie angefressen. Es gibt kein Körperteil, das nicht verätzt wird. Die Biene wird massiv geschädigt", gibt Rossa zu bedenken. Die Nutztiere werden durch die Behandlung geschwächt, anfällig für Viren und produzieren weniger Honig: "Für mich ist Säure tabu", sagt der Tierfreund.
Auf der Suche nach einer Alternative entwickelte er ein Gerät, das einer Schublade mit Heizplatten ähnelt. Es ist praktikabel, handlich. Außerdem sollen auf einen Schlag möglichst viele Milben beseitigt werden, ohne die Bienen zu belasten. Nicht zuletzt soll das Gerät mindestens 30 Jahre halten und so günstig sein, "dass sich kein Imker davor drücken kann, es bei Bedarf einzusetzen", nennt Rossa die Kriterien seiner Erfindung.
Wellness für Bienen - Tortur für Varroen
Seine Bienensauna wird unter den Bienenkasten geschoben. Die Heizung wird wahlweise durch Akku- oder Netzbetrieb allmählich auf 40 bis 42 Grad erhitzt. Ventilatoren verteilen die Luft. Während die Bienen die Temperaturen aushalten, verenden die Varroen bei 38 Grad nach etwa 30-minütiger Bestrahlung, weil ihr Körpereiweiß gerinnt. Besonders hartnäckige Schmarotzer fallen irgendwann in ein Netz im unteren Teil der Schublade, in dem die Temperatur niedriger ist. Doch dort trifft sie der Stromschlag, während die Körperabwehr der Bienen durch die Wärmebehandlung gestärkt wird.
Ursprünglich wollte Rossa nur seine Bienen heilen, doch auch andere Imker finden die Idee der Bienensauna genial. Der Haken: Dem Erfinder fehlt es an Geld, das Gerät in Serie zu bringen. 120.000 Euro benötigt Rossa zur Amortisation der Entwicklungskosten.
So begab er sich auf die Suche nach einem Sponsor und fand Florian Deising. Der Umweltökonom arbeitete bei den Autoherstellern Volvo und MAN. Heute berät er Sozialunternehmer wie Richard Rossa. Beide haben die Apisystems GmbH gegründet. Deising organisiert Geld und sorgt für das Marketing.
Durch Crowdfunding auf der Internetplattform Ecocrowd der Deutschen Umwelthilfe hat Deising Bienen- und Naturfreunde überzeugt, insgesamt 50.000 Euro zu investieren, um die Produktion voranzutreiben. Denn allein der Akku kostet 400 Euro. Noch liegen die Produktionskosten bei 1500 Euro pro Gerät, der Verkaufspreis beträgt die Hälfte.
Gewissenhafte Vorbereitung - Gewissenskonflikt des Erfinders
Rossa und Deising lassen nichts unversucht, ihre Erfahrungen abzusichern: Anhand von Feldversuchen bei Imkern wollen die Jungunternehmer zu unterschiedlichen Jahreszeiten die Bedingungen testen, um einen möglichst hohen Wirkungsgrad zu erzielen. Rossa weiß heute schon, dass Bienen ohne Brut und mit wenig Honigvorrat effektiver behandelt werden können. Bieneninstitute begleiten die Forschungen, um eine breite wissenschaftliche Datenbasis anzulegen.
Ein gravierendes Problem beschäftigt Rossa noch: Da sein Bestand milbenfrei ist, muss er die Bienen anderer Imker behandeln. Das ist mit vielen Reisen verbunden. Viel lieber würde der Erfinder weiter tüfteln - in seiner Einsiedelei in der dünn besiedelten schwedischen Provinz Dalarna.
Andererseits tauscht er sich auch gerne mit gleichgesinnten Züchtern aus: "Die Imker waren früher über 80 Jahre alt und irgendwie seltsame Charaktere", hat Rossa festgestellt: "Doch immer mehr Leute, die imkern, sind jung. Auch Stadtbewohner und zunehmend Frauen legen sich Bienen zu. Denen ist das Wohl der Bienen wichtiger als der Ertrag durch den Verkauf der Bienenprodukte." Und weil diese Imker so denken und handeln wie er, ist der Erfinder bestrebt, eine bezahlbare und einfach anwendbare Schädlingsvernichtungsmethode anzubieten.