Bildergeschichten aus Afrika
25. Dezember 2004Menschen werden willkürlich verhaftet. Sie sitzen, nur mit der Unterhose bekleidet, deprimiert in einer Gefängniszelle. Festgenommene werden krankenhausreif geschlagen, gefoltert, gedemütigt, Frauen vergewaltigt. Mit drastischen Zeichungen in braun-schwarz illustriert der afrikanische Comic-Zeichner Faustin Titi die Erinnerungen eines Polizisten, der nach seinem Dienst in einer Stadt an der afrikanischen Atlantikküste in den Ruhestand geht.
Austausch fördern
Faustin Titi kommt von der Elfenbeinküste und hat seinem Comic einen zynischen Schluss gegeben: Der Polizist fragt sich, warum sich denn niemand für die Täter interessiert. "Der Polizist von Gnasville" hat im vergangenen Jahr den Comic-Preis "Africa e Mediterraneo" der gleichnamigen italienischen Organisation gewonnen. Rund 150 Comics aus ganz Afrika bewarben sich. Der Preis wird alle zwei Jahre für zwei Kategorien vergeben: für ein beliebiges Thema und für einen Comic zum Thema Menschenrechte.
Mit diesem Wettbewerb und anderen Projekten will "Africa e Mediterraneo" den Austausch zwischen afrikanischen und europäischen Künstlern fördern. Und den afrikanischen Zeichnern eine Chance geben, auch untereinander in Kontakt zu kommen. Denn "Afrika ist in viele Sprach-Regionen aufgeteilt", erklärt Organisationspräsident Andrea Marchesini Reggiani, "und die wissen meist wenig voneinander".
Botschaft für alle
Die Comics werden in ganz Afrika gezeichnet, in Mosambik, Kongo, der Elfenbeinküste, Kenia oder Südafrika. Auch wenn Papier und Stifte oft schwer zu bekommen sind, sind sie immer noch billiger als andere Kommunikationsmittel. Außerdem kommen sie der afrikanischen Erzähltradition entgegen und auch, wer nicht lesen kann, versteht die Botschaft. So sind Comics Kunstwerk oder Kommunikationsmittel - oder beides gleichzeitig.
Sie werden auch oft von internationalen Hilfsorganisationen eingesetzt, um beispielsweise AIDS-Aufklärung zu illustrieren oder die Menschen über ihre Rechte zu informieren. "Das bedeutet," sagt Andrea Marchesini Reggiani, " dass man mit den besten Künstlern arbeiten muss, sonst kann man die Botschaft nicht vermitteln."
Sonderstellung Südafrika
Den Zeichnern, die in Afrika leben, fehlt aber zum Teil das handwerkliche Wissen. Sie haben oft keine Ausbildung, können keine Schule besuchen. Bei der Preisauswahl, erläutert Marchesini Reggiani, werde darauf Rücksicht genommen. Und die Jury wisse auch, dass Südafrika eine Sonderstellung einnimmt: Dort gibt es ausgezeichnete Schulen und Kurse, dementsprechend ist die Qualität der Zeichnungen wesentlich besser.
Einen eigenen afrikanischen Comic-Stil gibt es nicht, der europäische Einfluss ist deutlich sichtbar, wenn auch die Themen und Schauplätze afrikanisch sind. Viele Comic-Zeichner leben in Frankreich, Belgien oder Italien. Es geht ihnen wie ihren Schriftsteller-Kollegen: In ihren eigenen Ländern könnten sie ihre Geschichten nicht veröffentlichen. Doch auch wenn afrikanische Comics bisher nur einem begrenzten Publikum bekannt sind: Viele von ihnen stehen ihren europäischen oder amerikanischen Vorbildern in nichts nach.
Nicht nur Hoffnungslosigkeit
Afrikanische Comics handeln von vielen Themen - alltäglichen Sorgen werden genauso aufgegriffen wie Detektivgeschichten, Science Fiction, Literaturadaptionen oder traditionelle afrikanischen Geschichten. Es geht also nicht nur um Gewalt und Hoffnungslosigkeit.