Der Erinnerungskoloss
19. März 2013Der Elefant gehörte bekanntermaßen nicht gerade zu den zentralen Figuren der deutschen Geschichte. Und doch steht er in gewisser Weise sinnbildlich für einen besonderen Abschnitt unserer Vergangenheit: die Kolonialherrschaft über afrikanische Gebiete. "Deutsch-Südwestafrika", "Deutsch-Ostafrika" oder Kamerun stehen stellvertretend für die vergleichsweise kurze Zeit vermeintlich deutscher Kolonial-"Herrlichkeit", die mit dem verlorenen Ersten Weltkrieg 1918 abrupt endete. Damit wollten sich viele Deutsche allerdings nicht abfinden – und so kam auch dieser Elefant nach Bremen.
Die Kaufleute der Hansestadt hatten vom einstigen Kolonialhandel kräftig profitiert. Und so ging von ihnen Mitte der 1920er Jahre die Initiative aus, ein sogenanntes "Reichskolonial-Ehrenmal" zu schaffen. Es sollte an die einstigen Besitzungen erinnern und ein Appell für deren Wiedergewinnung sein. So entstand ein gleichermaßen wehmütiger wie politisch aggressiver Ort der Erinnerung.
Am 7. Juli 1932 feierte man die offizielle Einweihung des wahrhaft monströsen Bauwerks: Zehn Meter ragt der Elefant in die Höhe, aus Klinkern gemauert, unter ihm befindet sich eine Krypta, in der ein regelrechter Kult um die einstigen Kolonien zelebriert wurde: Auf einem steinernen Tisch liegt ein Buch mit den 1.490 Namen der im Ersten Weltkrieg in den Kolonien gefallenen Soldaten.
Spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg war dann allen klar, dass die Kolonien für immer verloren sind – und das steinerne Ehrenmal in Bremen verfiel. Erst nach seiner Umwidmung von 1987 in ein "Anti-Kolonialdenkmal" wurde es saniert. Heute erinnert es auch an die Verantwortung, die den Deutschen aus diesem Abschnitt ihrer Geschichte erwächst. Denn noch immer sind Herrschaft und Verbrechen der Kolonialzeit im kollektiven Gedächtnis der Deutschen seltsam unterrepräsentiert. So gesehen hat der riesige Elefant in Bremen als Figur der deutschen Geschichte – allerdings unter anderen Vorzeichen – heute noch immer eine wichtige Erinnerungsfunktion.