1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bildergeschichten: Horrido!

Tillmann Bendikowski5. August 2013

Wir stellen jede Woche ein Bild vor und erzählen seine Geschichte. Diesmal gehen wir zurück in das Jahr 1924: Der Wilderer streift nicht nur durch die Kinos.

https://p.dw.com/p/19I87
Szene aus dem Film 'Horrido', die ein Duell zwischen Jäger und Wilddieb darstellt. Aufnahmezeitraum-/datum 01.01.1920 - 31.12.1920 Urhebervermerk ullstein bild - Süddeutsche Zeitung Photo / Scherl
Filmstill aus Horrido von 1920Bild: Ullstein

Da stehen sie sich gegenüber, bewaffnet und augenscheinlich zum Letzten entschlossen: Wer wird zuerst schießen? Der Förster oder der Wilddieb? Und wer wird am Ende verletzt oder gar tödlich getroffen zwischen den Bäumen niedersinken? Wie tröstlich, dass es sich angesichts einer möglichen Tragödie bei diesem Foto nur um ein Szenenbild aus einem Film handelt, der 1924 in Deutschland in die Kinos kommt: "Horrido" heißt er und erzählt Geschichten aus dem Wald, vom Förster und natürlich von der Liebe.

Doch der Unterhaltungswert von "Horrido" soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Wilderer keineswegs nur eine Figur aus der Welt des Kinos ist. Er ist vielmehr, nämlich ein Phänomen der deutschen Kulturgeschichte. Der Wilddieb schießt ja nicht nur das Getier eines anderen über den Haufen, sondern lebt eine für manchen faszinierende Form der Gesetzlosigkeit; oft genug aber angetrieben von blanker Not, zuweilen indes von schierer Abenteuerlust. Doch weshalb auch immer er zu Büchse oder Falle greift: Sein Treiben hat ihn über Jahrhunderte hinweg mit der Obrigkeit und ihren Vertretern in Konflikt gebracht.

Erst mit der Neuzeit wird die Wilderei allerdings zu einem schweren Verbrechen erhoben; jetzt beanspruchen die Fürsten überall im Land nämlich das Recht zur hohen Jagd für sich. Wer dagegen verstößt, hat ein Nachsehen, die Jagdaufseher werden zuweilen mit üppigen Prämien zur raschen Justiz gelockt: So setzt der sonst eher als geizig verschriene Kurfürst August von Sachsen im 16. Jahrhundert die damals höchst beachtliche Summe von 100 Gulden für die Erschießung eines jeden Wilddiebes aus. Bei solchen Prämien darf sich niemand wundern, dass da so manch Unschuldiger niedergestreckt wird.

Allerdings weiß sich der Wilderer zu fast allen Zeiten auch von einer gewissen klammheimlichen Sympathie des einfachen Volkes begleitet. Zuweilen ist der Wilddiebstahl sogar regelrecht die sportliche Variante der Fürsten-Verhöhnung, und mancher Wilderer bringt es zu regionaler Berühmtheit und wird von der heimischen Bevölkerung geradezu verehrt. Aber einen Robin Hood, der einst als Wilderer im königlichen Sherwood Forest anfing, hat die deutsche Geschichte dann doch nicht hervorgebracht.