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Kinderbetreuung von Anfang an

Günther Birkenstock9. Oktober 2012

Vorbeugen ist besser als heilen. Das gilt nicht nur für die menschliche Gesundheit, sondern auch bei der Kindererziehung und in der Bildungspolitik. Die Stadt Monheim in Nordrhein-Westfalen macht vor, wie das geht.

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Die Polizei besucht eine Moki-Spielgruppe (Foto: Moki-Projekt)
Moki-Projekt Monheim für KinderBild: Moki-Projekt

Sandra Pantuschky ist Hebamme. Ihre Arbeit ist ein wichtiger Baustein im Projekt "Monheim für Kinder", kurz "Moki" genannt. Das Betreuungsangebot der 44.000-Einwohner Stadt Monheim, die zwischen Köln und Düsseldorf liegt, setzt ganz früh an. Nämlich dann, wenn die Kinder noch gar nicht geboren sind. Mit allen Familien, die in Monheim ein Kind bekommen, nehmen die Moki-Mitarbeiter Kontakt auf. Denn ihre Erfahrung zeigt, je früher sie ihre Hilfe anbieten, desto besser wird sie angenommen.

Keine Agentin des Amtes

Dabei zeigt sich Sandra Pantuschky verbindlich und hartnäckig: "Wir laufen denen auch ein bisschen hinterher. Es ist nicht so, dass wir die Familien nur einmal ansprechen und uns dann nicht mehr kümmern, wenn die Familien sich nicht bei uns melden. Sondern wir versuchen, eine Telefonnummer zu erhalten und rufen immer wieder an. Und irgendwann ist das für die Eltern dann in Ordnung, dass wir sie begleiten." Sandra Pantuschky tritt niemals wie eine Agentin des Jugendamtes auf, auch wenn das Amt gemeinsam mit der Arbeiterwohlfahrt ihr Auftraggeber ist.

Alles, was das Projekt Moki anbietet, geschieht auf Basis von Freiwilligkeit. Wer nicht will, muss das Angebot nicht annehmen. Aber die meisten wollen. Zehn bis zwölf Familien betreut die Hebamme regelmäßig. Ist das Kind geboren, bekommen die frischgebackenen Eltern nicht nur weiterhin Besuch von der Hebamme. Eine Sozialpädagogin schaut vorbei mit einem Geschenk und einem großen Ordner. Darin steht alles, was Moki zu bieten hat. Sobald das Kind aus dem Säuglingsalter heraus ist, geht es weiter.

Drei Mütter im HIntergrund mit ihren Kindern auf dem Schoß sitzen im Moki-Treffpunkt auf dem Boden (Foto: Moki-Projekt)
Moki zeigt: Je früher ein Bildungsprojekt ansetzt, desto besser wird es angenommenBild: Moki-Projekt

Sprach- und Musikunterricht für Kinder

In Kindergärten und Kindertagesstätten, den Kitas, wird viel mehr geboten als sonst üblich, betont die Leiterin des Moki-Projektes, Annette Berg. Es gibt Sprachunterricht, Bildungsangebote für die Eltern und auch eine erste Einführung in die Musik: "Somit lernen Kinder, die vielleicht zu Hause nie etwas von Musikinstrumenten gehört haben, beispielsweise ein Musikinstrument kennen. Und darüber erweitert sich ihr Horizont, entwickelt sich eine Leidenschaft, wozu die Kinder zu Hause kaum eine Chance gehabt hätten."

Die Kontakt- und Bildungsangebote reichen weit über die Kitas hinaus. Um wirklich alle zu erreichen, ganz unabhängig von Bildungsschicht, Einkommen und Herkunft werden im zentralen Treffpunkt, dem Moki-Café Gelegenheiten zum unverbindlichen Treffen organisiert. Vom regelmäßigen preiswerten Frühstücksplausch bis zu kulturellen Festen für alle, die in Monheim wohnen. Und das kommt an, sagt Bildungsbegleiterin Miriam Heckmann: „Wir feiern hier ein muslimisches Opferfest, feiern St. Martin, Nikolaus, wir haben eine Weihnachtswerkstatt, wir haben ein Osterfest und ein Ferienprogramm. Und das ist natürlich etwas, wodurch wir viele Familien erreichen, die in einem normalen Bildungskontext nicht zu finden sind“.

Kinder und Mütter an einem Frühstückstisch im Moki-Café (Foto: Moki-Projekt)
Im Café treffen sich Eltern und Kinder zum Plaudern und FeiernBild: Moki-Projekt

Moki wächst

Bisher hörte das Projekt mit dem Eintritt der Kinder in die weiterführende Schule nach der vierten Klasse auf. Das soll jetzt anders werden. Auch die heranwachsenden Jugendlichen und ihre Familien sollen betreut werden. Und damit auch alle Bedürfnisse berücksichtigt werden, gibt sich die Stadt reichlich Mühe und investiert nicht nur in weitere Angebote, wie Bürgermeister Daniel Zimmermann beschreibt, sondern auch in eine flächendeckende Befragung der Bürger: "Wir wollen von Eltern ihre Bedürfnisse und Wünsche wissen. Das bezieht sich nicht nur auf soziale und Bildungsaspekte, sondern auch auf Städteplanung und Spielplatzangebote." Dafür hat der Jugendhilfeausschuss der Stadt Monheim gerade 60.000 Euro bewilligt.

Am Anfang stand die Geldnot

Inzwischen läuft das Moki-Projekt schon seit Jahren und ist seither immer größer geworden. 560.000 Euro investiert die Stadt jedes Jahr, die vor nicht allzu langer Zeit noch große Geldsorgen hatte und mit einem Nothaushalt verwaltet werden musste. Der Anlass, Moki ins Leben zu rufen, war der Wunsch, die Ausgaben der Stadt zu reduzieren. Denn die Jugendamt-Mitarbeiter hatten festgestellt, dass die meisten Kinder, die in Heimen untergebracht waren, aus armen Familien mit niedrigem Bildungsstand stammten. Dem Jugendamt wurde klar, dass das Geld, das in jugendliche Heimunterbringung investiert wurde, anders und besser angelegt werden kann. Damit gleich am Lebensanfang eines Kindes weniger Probleme entstehen.

Mütter und Kinder sitzen in der Moki-Turnhalle um ein Mini-Trampolin herum (Foto: Moki-Projekt)
Im Monheimer Problembezirk "Berliner Viertel" bekommen jetzt mehr Kinder eine GymnasialempfehlungBild: Moki-Projekt

Sichtbarer Erfolg

Die Umsetzung dessen, was Bildungsexperten schon seit langem predigen, hat sich gelohnt. Die Zahl der Schüler, die in dem Monheimer Problembezirk "Berliner Viertel" eine Empfehlung für den Besuch des Gymnasiums bekommen, hat sich deutlich erhöht, von 10 auf 30 Prozent. Und auch bei den Ausgaben des Jugendamtes kann Bürgermeister Zimmermann stolz berichten, gibt es einen Bonus für die umfassende Präventionskette von Moki. "Wir sehen heute, dass die Mittel des Jugendamts, die investiert werden müssen, um Kinder notfallsin Heimen unterzubringen, zwar auch steigen. Aber sie steigen weniger stark als im nordrhein-westfälischen Landesdurchschnitt.“

Im Land Nordrhein-Westfalen ist in den letzten sieben Jahren der Bedarf für schwere Fälle um etwa 30 Prozent gestiegen, in Monheim hingegen um 20 Prozent. Das Bildungs- und Betreuungsprojekt kann also auf eine rundherum positive Bilanz schauen. Zur Nachahmung empfohlen.