Bio-Waffe Rizin aus dem Internet
15. Juni 2018Rizin ist eines der gefährlichsten Gifte, die in der Natur vorkommen. Je nachdem, wie man die Substanz aufnimmt, ist schon weniger als ein Milligramm tödlich. Die toxische Wirkung kann laut Robert-Koch-Institut (RKI) oral, über die Haut, den Magen und inhalativ erfolgen. Gespritzt, eingeatmet oder verschluckt, hindert das farb- und geruchlose Gift den Körper daran, lebenswichtige Eiweißstoffe herzustellen. Denn ist das Gift erst einmal im Inneren des Körpers angekommen, bindet Rizin an Zuckermoleküle, die überall auf den Oberflächen der Körperzellen angebracht sind.
Bei einer Vergiftung treten die Symptome erst mit Verzögerung auf: es kommt zu hohem Fieber, Blutdruckabfall, erhöhte Herzfrequenz, Erbrechen und blutigem Durchfall. Als Folge versagen das Zentrale Nervensystem, die Nieren, die Leber oder andere Organe. Rizin kann auch die Atemwege lähmen; der Tod durch Herz-Kreislauf-Schock oder Organversagen tritt innerhalb weniger Tage ein.
Die Inkubationszeit ist laut RKI abhängig von der Dosis und der Art, wie man mit dem Gift in Berührung kommt - also ob über die Atemwege, den Magen oder die Haut. Die ersten Symptome treten nach oraler Aufnahme schon nach wenigen Stunden, meist innerhalb von 48 Stunden auf. Bisher existiert kein offizielles Gegengift. Es gibt aber auch Menschen, die gegen Rizin immun sind.
Herkunft der Bio-Waffe
Das Gift kommt in den Samen des Wunderbaums vor. Der stammt aus dem Nahen Osten und Nord-Afrika und heißt auf Latein „Ricinus communis“. Der Wunderbaum schützt seine Samen mit Rizin vor Fressfeinden. Die rötlichbraun-marmorierten, bohnenförmigen Samen des Wunderbaum sind an sich nicht gefährlich, selbst wenn ein Kind eine Bohne in den Mund genommen oder runtergeschluckt haben sollte, verläuft die Vergiftung meist glimpflich. Denn aus einem intakten Samen wird das Gift nur in geringer Menge freigesetzt. Erst wenn das Kind die Bohne zerkaut oder lange im Magen hat, kann es zu einer vermehrten Freisetzung des Gifts kommen.
Aus dem Samen des Baumes wird tatsächlich auch das Rizinus-Öl gewonnen. Das stark abführende Öl ist ungiftig und wird in der Medizin und für Kosmetikprodukte verwendet. Das Gift selber wird also eher aus dem gewonnen, was bei der Öl-Herstellung übrig bleibt. Erst wenn man das Gift isoliert und entsprechend aufarbeitet, kann es auch eingeatmet oder gespritzt werden.
"Potenziell biologischer Kampfstoff"
Das Robert Koch-Institut (RKI) stuft Rizin als "potenziellen biologischen Kampfstoff" ein.
Bereits im ersten Weltkrieg haben die USA geprüft, wie sie Rizin als Waffe nutzen könnten, etwa ob Munition mit dem Gift präpariert werden kann. Außerdem wurde untersucht, Rizin mit Staub zu verbreiten, so dass es eingeatmet wird.
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die militärischen Versuche eingestellt – andere Chemiewaffen waren einfach noch wirkungsvoller. Rizin unterliegt nach wie vor der Biowaffen- und der Chemiewaffenkonvention. Handel und Umgang mit der Reinsubstanz sind seit 1997 beschränkt.
Trotzdem wurde Rizin meist mehrfach als Waffe eingesetzt. Einen besonders spektakulären Fall gab es 1978 in London: Da wurde der bulgarische Dissident Georgi Markow auf offener Straße ermordet. Der bei der BBC beschäftigte Schriftsteller war mutmaßlich von einem Agenten des bulgarischen kommunistischen Geheimdienstes mit einem Regenschirm ins Bein gestochen worden. In der Schirmspitze steckte ein Kügelchen mit dem Gift Rizin. Drei Tage später war Markow tot.
Was Rizin in Bezug auf bioterroristische Anschläge so attraktiv macht ist die Tatsache, dass es relativ leicht erhältlich ist: Weltweit sollen pro Jahr mehr als eine Million Rizinus-Samen verarbeitet werden. Entsprechend wurde das Gift bereits unter anderem bei einer rechtsextremen Gruppe in den USA und bei einem Al-Qaida-Arm im Jemen gefunden. Auf den in Köln verhafteten Tunesier waren Sicherheitsbehörden wegen auffälliger Interneteinkäufe gestoßen. Unter anderem habe der Mann bei einem Internet-Versandhändler 1000 Rizinus-Samen und eine elektrische Kaffeemühle gekauft.