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Bischof Szyrokoradiuk: "Blanke Revolution"

Stefan Dege24. Januar 2014

Der katholische Weihbischof von Kiew-Schytomyr, Stanislaw Szyrokoradiuk, fürchtet eine blutige Revolution in der Ukraine - oder eine Teilung des Landes. Im Westen habe die Regierung inzwischen nichts mehr zu sagen.

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Stanislaw Szyrokoradiuk
Bild: picture-alliance/KNA

DW: Herr Bischof, bei den Protesten in der Ukraine kamen mehrere Regierungsgegner ums Leben. Wer trägt Ihrer Ansicht nach die Verantwortung - die Regierung oder die Opposition?

Bischof Szyrokoradiuk:Ganz klar die Regierung. Seit über zwei Monaten dauern diese Proteste an. Und die Regierung stellt sich taub. Sie läßt keine Diskussion zu, kein Gespräch, nichts. Das Fass zum Überlaufen gebracht haben die diktatorischen Gesetze nach russischem und weißrussischem Vorbild. Deshalb diese Explosion. Nicht nur in Kiew, in weiten Gebieten der Ukraine, vor allem im Westen herrscht die blanke Revolution. Da hat die Regierung nichts mehr zu sagen, da regiert das Volk. Das geht jetzt weiter nach Osten.

Zwei mal wollte die Opposition mit dem Präsidenten sprechen - keine Chance. Nun werden einige Aktivisten freigelassen. Aber in Kiew sind weiter viele Polizisten. Tausende Menschen warten, dass etwas passiert.

Herr Bischof, auf welcher Seite stehen die Kirchen?

Natürlich auf der Seite des Volkes, das sind unsere Leute! Nun versammelt Präsident Janukowitsch alle Bischöfe der verschiedenen Kirchen. Jetzt möchte er ein Gespräch führen mit dem sogenannten Ökumenischen Kirchlichen Rat. Vermutlich möchte der Präsident Unterstützung von der Kirche.

Werden Sie ihm diese Unterstützung geben?

Momentan ist das unmöglich. Auf dem Maidan-Platz im Zentrum Kiews lesen täglich viele Priester Messen und beten mit den Menschen. Die Bevölkerung möchte von den Bischöfen nicht hören: 'Jetzt haltet mal still und geht nach Hause!' Das funktioniert nicht. Stattdessen muss die Führung diese Gesetze zurücknehmen und die Regierung entlassen. Sonst geht die Revolution weiter.

Im Übrigen: Zwei Monate lang haben sich die Kirchen um ein Treffen mit Präsident Janukowitsch bemüht. Keine Chance! Und jetzt, auf einmal, bittet der Präsident die Bischöfe um Hilfe? Hat er mit den Bischöfen gesprochen, als er die Gesetze verschärfte? Nein! Inzwischen ist die Lage äußerst gefährlich.

Sie sprechen von Revolution. Was kann passieren?

Das schlimmste wäre eine blutige Revolution. Die zweite Variante wäre eine Teilung der Ukraine - in die Ostukraine hier und die Zentral- und Westukraine dort. Das wäre auch sehr gefährlich. Russland spielt dabei eine große Rolle...

Befürchten Sie eine Intervention aus Russland?

Zur Zeit nicht. Aber alles ist möglich!

Fernsehbilder zeigen Geistliche, die sich zwischen die Fronten stellen - zwischen Demonstranten und Regierungsoldaten. Hat die Kirchenleitung sie dazu ermuntert?

Nein, die machen das selbstständig, weil sie ihrem Gewissen verpflichtet sind. Aber eine Lösung ist das nicht. Es bringt allenfalls eine Atempause.

Wie geht es jetzt weiter?

Ich hoffe, dass das Parlament, wenn es am Dienstag tagt, die diktatorischen Gesetze zurücknimmt und die Regierung entlässt. Dann gibt es vielleicht eine Chance zum Frieden.

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Stanislav Szyrokoradiuk OFM ist Weihbischof in Kiew-Schytomyr und Apostolischer Administrator des Bistums Luzk.