Bismarck - ein deutscher Mythos
Er war die zentrale politische Figur des 19. Jahrhunderts und Gründer des Deutschen Reiches 1871. Er war konservativ und modern zugleich. Umstritten ist er bis heute. Otto von Bismarck wurde vor 200 Jahren geboren.
Proklamation des Deutschen Kaiserreiches
Bismarck auf dem politischen Höhepunkt. Viel Symbolik ist im Spiel im Ölgemälde von Anton von Werner. Bei der Kaiser-Proklamation Wilhelm I. steht der Reichsgründer im Zentrum. Ausgerechnet im Spiegelsaal von Versailles wird das Deutsche Reich ausgerufen. Das Verhältnis zu Frankreich bleibt lange angespannt.
Umstritten damals wie heute
Er wird in einem Atemzug mit Johann Sebastian Bach, Martin Luther und Johann Wolfgang von Goethe genannt. Trotzdem: Insbesondere nach 1945 wurde intensiv über die Rolle Bismarcks in der deutschen Geschichte gestritten. "In Wahrheit war die höchste Diplomatie und das Maßhalten seine große Gabe", schreibt der Bismarck-Biograf Hans-Christof Kraus.
Der steinerne Otto
Weltweit gibt es wohl mehr als 10.000 Orte mit Bismarck-Bezug. Allein in Deutschland sind über 700 Bismarck-Straßen registriert. Hinzu kommen noch 146 Bismarck-Türme und 97 Denkmäler, die an den Reichsgründer erinnern. In Gelsenkirchen trägt sogar ein Stadtteil seinen Namen.
Der Außenpolitiker
"Die einzig gesunde Grundlage eines großen Staates, und dadurch unterscheidet er sich wesentlich von einem kleinen Staate, ist der staatliche Egoismus und nicht die Romantik, und es ist eines großen Staates nicht würdig, für eine Sache zu streiten, die nicht seinem eigenen Interesse angehört." (aus Bismarcks erster großer Parlamentsrede 1850). Napoleon III. nach der Gefangennahme von Sedan 1870.
Der Staatsmodernisierer
Bismarck gilt als Vater der Sozialversicherungen. Seit 1883 gibt es eine Krankenversicherung im Reich, ein Jahr später eine Unfallversicherung, ab 1889 eine Renten- und Invalidenversicherung. Das Prinzip der paritätischen Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer gilt bis heute und wurde in vielen Ländern übernommen.
Der politische Pensionär
Er war ein Junker vom Lande und blieb es auch im politischen Ruhestand (Aufnahme vom 6. Juli 1891). Verbittert über das erzwungene Ende seiner Kanzlerschaft verschanzte er sich fortan auf seinem Alterssitz Friedrichsruh bei Hamburg. Er schrieb an seinen Memoiren und verzichtete dennoch nicht auf Einmischungen in die Politik.
"Der Lotse geht von Bord"
Eine englische Zeitung setzte Bismarcks Entlassung und sein zerstörtes Verhältnis zu Wilhelm II. im März 1890 treffend ins Bild. Ein aufrechter, aber geschlagener Reichskanzler geht von Bord. Von oben schaut ihm teilnahmslos der junge Kaiser nach. Die deutsche Übersetzung lautete schon damals nicht ganz korrekt: "Der Lotse geht von Bord".
Ein früher Medienskandal
Der 30. Juli 1898, der Todestag Bismarcks, steht auch für eine Ungeheuerlichkeit: Zwei Fotografen gelangen an das Sterbebett, richten den Oberkörper des Leichnams mit Kissen unter dem Kopf auf und drücken ab. Die Blitzlichtaufnahme wird zum Presseskandal, die Fotografen werden verhaftet.