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Fast 9000 Flüchtlingskinder verschwunden

29. August 2016

Die Zahl der vermisst gemeldeten minderjährigen Flüchtlinge hat sich seit Jahresbeginn fast verdoppelt. Wie können in einem Land wie Deutschland Tausende Kinder einfach verschwinden?

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Deutschland Flüchtlingskind (Foto. picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Viele sind vermutlich einfach weitergereist zu Verwandten, Bekannten, oder auch ins europäische Ausland - aber was ist mit den anderen? Am 1. Juli waren 8991 unbegleitete Flüchtlingskinder und Jugendliche als vermisst gemeldet, teilte das Bundeskriminalamt (BKA) auf Anfrage der "Neuen Osnabrücker Zeitung" mit. Das sind schon mehr als im Gesamtjahr 2015 und fast doppelt so viele wie noch zu Jahresbeginn, als 4.749 geflüchtete Minderjährige als vermisst galten.

Den größten Teil der Verschwundenen machten demnach Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren (8046 Personen) aus. Mit 867 war aber auch die Zahl der vermissten Kinder unter 13 Jahren erschreckend hoch. Hinzu kamen laut BKA 78 Personen älter als 18 Jahre. Mit Blick auf den Anstieg der Zahlen verwies das Amt auf den massiven Flüchtlingszustrom seit Mitte vergangenen Jahres, in dem auch sehr viele unbegleitete Kinder und Jugendliche nach Deutschland gereist seien. Die meisten Fälle seien harmlos und hätten keinen kriminellen Hintergrund.

Vielfachzählungen und Fehlregistrierungen

"Konkrete Erkenntnisse, dass ein Teil der zu Jahresbeginn vermissten minderjährigen Flüchtlinge Kriminellen in die Hände gefallen sein könnte, liegen im Bundeskriminalamt nicht vor", so die Behörde. Eine BKA-Sprecherin sagte: "Vielfach entfernen sich die Kinder nicht planlos, sondern wollen ihre Eltern, Verwandten oder Bekannten in anderen deutschen Städten oder gar im europäischen Ausland aufsuchen." Die Statistik verzerre dabei die Zahlen nach oben. Wenn Kinder bei der Familie ankämen, erhielten die deutschen Behörden oft keine Rückmeldung und die Namen blieben in der Fahndungsdatenbank stehen.

Häufig gebe es Mehrfachregistrierungen, wenn Jugendliche sich an einem anderen Ort wieder melden - weil sie keinen Pass mehr haben und ihre Personalien nicht feststehen oder weil der Name unterschiedlich geschrieben wird, so das BKA.

Für Europa gibt es keine aktuellen Zahlen. Die Europäische Polizeibehörde Europol verwies auf eine Schätzung vom Februar, wonach mindestens 10.000 unbegleitete Flüchtlingskinder nach ihrer Ankunft in Europa verschwunden sind. Die Zahl sei inzwischen deutlich höher, hieß es. Viele seien wohl in der Obhut ihrer Familie, man könne aber auch Verbrechen nicht ausschließen.

Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Thomas Krüger, sagte, die erschreckend hohe Zahl von vermissten Flüchtlingskindern wecke schlimmste Befürchtungen. Den Heranwachsenden drohten Ausbeutung, Sexarbeit, Sklaverei oder sogar Organhandel. "Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass das Schicksal so vieler Kinder und Jugendlicher nach wie vor ungeklärt ist", so Krüger. Polizei- und Bundesbehörden auf der einen Seite und Suchdienste wie der des Deutschen Roten Kreuzes auf der anderen Seite stünden in der Pflicht, gezielt und mit Nachdruck nach den Betroffenen zu fahnden.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) warnte bereits vor Monaten, unbegleitete Minderjährige aus Konfliktregionen seien "die mit Abstand gefährdetste Gruppe unter den Flüchtlingen". Sie seien ohne elterliche Fürsorge, oftmals von ihren Familien geschickt worden, um als erste nach Europa zu gelangen. Ihre Schutzlosigkeit mache sie zu leicht zu Opfern.

qu/kle (afp, kna)