Blauer Brief für Deutschland
Schon Monate vor der Veröffentlichung der Ergebnisse von "PISA 2003" hat Deutschland den blauen Brief bekommen - und das nicht zum ersten Mal. Während es im Ausland einen "rasanten Aus- und Umbau der Bildungssysteme" gebe, habe Deutschland einen immensen Nachholbedarf, erklärte Andreas Schleicher bei der Vorstellung im September 2004. Der Bildungskoordinator der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mahnte, die Schüler werden unzureichend gefördert und Deutschland bringe vor allem zu wenig Akademiker hervor.
Das Qualifikationsniveau in den OECD-Staaten sei seit 1995 dramatisch gestiegen, in Deutschland sei jedoch nichts passiert, konstatierte Schleicher. Während in den OECD-Ländern durchschnittlich 32 Prozent der Studenten einen Abschluss an einer Fachhochschule oder Universität erzielen, liege die Quote in Deutschland nur bei 19 Prozent.
Positive, aber unzureichende Ansätze
Der Bildungsexperte wies zwar auf "positive Ansätze" bei Bildungsreformen seit Antritt der rot-grünen Bundesregierung, wie etwa den Ausbau der Ganztagsschulen, hin. Dies reiche jedoch nicht aus, um Anschluss an die erfolgreichen Bildungsnationen wie Finnland oder Kanada zu halten. Schleicher verwies darauf, dass Deutschland zudem falsche finanzielle Prioritäten setze. Mit den Investitionen in Grundschüler erreiche Deutschland lediglich einen Platz im unteren Mittelfeld. Hinzu komme, dass zum Beispiel sieben- bis achtjährige Schüler in Deutschland 126 Unterrichtsstunden weniger erhielten als im OECD-Durchschnitt (752 Stunden).
Als besonders ungünstig erweist sich laut Studie das Betreuer-Kinder-Verhältnis im Kindergartenbereich. In Deutschland kommen rund 24 Kinder auf eine Betreuungsperson - der zweitschlechteste Wert nach Großbritannien. Der OECD-Durchschnitt liegt den Angaben zufolge bei etwa 15 Kindern pro Betreuungsperson.
Bildungsausgaben: Deutschland rutscht weiter ab
Die jährliche Studie mit dem Titel "Bildung auf einen Blick" untersucht die Leistungsfähigkeit der Bildungssysteme vorwiegend in den 30 OECD-Mitgliedsstaaten, unter anderem die Investitionen in Bildung und die Organisation von Schulen. Laut Studie stiegen im OECD-Mittel die Nettoausgaben für die Schulen von 1995 bis 2001 um 21 Prozent, für die Hochschulen um 30 Prozent. In Deutschland liegt die Steigerungsrate demnach nur bei sechs, bzw. sieben Prozent. Damit rutscht Deutschland bei den Bildungsausgaben pro Schüler und Studenten von Platz 10 auf Platz 15 ab. Im EU-Vergleich liegt die Bundesrepublik auf Rang 10.
Als Anfang Dezember die Ergebnisse der neuen OECD-Bildungsstudie bekannt gegeben wurden, erinnerte Schleicher an die Bildungsausgaben. Länder mit höheren Bildungsausgaben haben im Vergleich auch besser abgeschnitten, sagte Schleicher. Die Finanzmittel alleine seien aber auch nicht entscheidend, wie man vor allem am guten Abschneiden Südkoreas bei "PISA 2003" erkennen kann.