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Blechhütten im Barrel-Paradies

Renate Krieger17. Januar 2013

Angola ist Afrikas zweitgrößter Erdölproduzent und will bald auch Erdgas exportieren. Der Rohstoff-Reichtum treibt die Wirtschaft an - aber Angolas Gesellschaft immer weiter auseinander.

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Im Armenviertel Cazenga, im Westen der Hauptstadt Luanda, leben mehr als 400.000 Menschen auf etwa 40 Quadratkilometern (Foto: DW/Renate Krieger)
Bild: DW/R. Krieger

Soyo im Norden Angolas, an der Grenze zur Demokratischen Republik Kongo. Aus einem Straßengraben spucken zwei horizontal verlegte Röhren eine meterhohe Feuerzunge in den Himmel. Wie hier wird überall rund um die Stadt Gas abgefackelt. Es entsteht bei der Erdölförderung, als Abfallprodukt. Die giftigen Gase einfach zu verbrennen, ist die billigste Methode der Entsorgung. Und deshalb erleuchten die Gasfackeln Nacht um Nacht den Himmel über Soyo. Oft sind sie sogar die einzige Lichtquelle, denn die wenigen Straßenlaternen funktionieren nur selten. "Nachts ist die Stadt ganz dunkel. Man sieht nicht einmal, ob jemand die Straße überquert", sagt Taxifahrer Luciano Nzombo Madia und manövriert den PKW an den vielen Schlaglöchern vorbei die Straße entlang.

Erdgasabfackelung in Soyo, im Norden Angolas (Foto: DW/Renate Krieger)
Hochgiftig und umweltschädlich: Gasabfackelung in SoyoBild: DW/Renate Krieger

Riesige Erdgas-Reserven
Doch schon bald sollen die Fackeln erlöschen, denn Angola will das Gas verarbeiten. In Soyo entsteht gerade die erste LNG-Anlage des Landes. LNG - das steht für "liquefied natural gas", also: Flüssigerdgas. Auf einer Fläche so groß wie 240 Fußballfelder erstreckt sich ein kompliziertes Rohrleitungsnetz. 2008 wurde mit dem Bau begonnen. Anfang 2012 sollte die Fabrik eigentlich in Betrieb gehen und jährlich 5,2 Millionen Tonnen Flüssigerdgas produzieren. Damit könnte Angola einsteigen ins lukrative Exportgeschäft, denn bislang gibt es auf dem ganzen Kontinent gerade einmal acht solcher Anlagen. Doch noch steht die LNG-Fabrik in Soyo still. Sie befinde sich in der Testphase, heißt es offiziell. Auch deshalb werden Besuche von Journalisten hier so gut wie nie genehmigt.

Nach Angaben der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) ist Angola nach Nigeria der zweitgrößte Erdölproduzent des afrikanischen Kontinents. Täglich werden hier 1,62 Millionen Barrel gefördert. Außerdem besitzt das Land laut OPEC 366 Milliarden Kubikmeter Erdgasreserven - fast 20 Prozent mehr, als noch 2010 bekannt war.

Keine Jobs für die Bevölkerung

Die erste LNG-Anlage Angolas in Soyo ist Ende 2012 noch nicht in Betrieb (Foto: DW/Renate Krieger)
Einstieg ins Erdgas-Geschäft: LNG-Anlage in SoyoBild: DW/Renate Krieger

Zwar wird noch nicht produziert in Soyo, aber Abnehmer gibt es schon. Die USA wollen das Flüssigerdgas importieren, sie sind bereits einer der Hauptabnehmer des angolanischen Erdöls. Das nordamerikanische Unternehmen Chevron ist mit rund 36 Prozent am Angola LNG-Projekt beteiligt und somit der Haupteigner. Angolas staatliche Firma Sonagás besitzt knapp 23 Prozent, außerdem sind das italienische Unternehmen ENI, die britische Firma BP und der französische Konzern Total beteiligt.

Mit dem Rohstoff-Boom seien viele Menschen und auch Unternehmen nach Soyo gezogen, sagt Taxifahrer Luciano und fährt in Richtung Stadtzentrum. Zwischen 2010 und 2011 arbeitete Luciano als Vorarbeiter für das LNG-Projekt, hat die Verlegung der Pipelines im Atlantischen Ozean beaufsichtigt. Aus bis zu 1.700 Metern Tiefe sollen sie das Erdgas fördern, erklärt der gelernte Elektriker.

Taxifahrer Luciano Nzombo Madia war einst im Angola-LNG-Projekt beschäftigt, als Vorarbeiter bei der Verlegung der Pipelines (Foto: DW/Renate Krieger)
Enttäuscht vom Boom: Taxifahrer Luciano Nzombo MadiaBild: DW/R.Krieger

Doch als alle Pipelines verlegt waren, verlor Luciano seinen Job. Heute fährt er Taxi. 15.000 Kwanza verdient er am Tag, etwa 150 Dollar. Für seinen Job beim LNG-Projekt bekam er umgerechnet gerade mal 330 Dollar im Monat. Auf dem Arbeitsmarkt sei der Rohstoff-Boom ohnehin kaum zu spüren, kritisieren Menschenrechtler und Wirtschaftsexperten. Laut offiziellen Schätzungen beschäftigt Angolas Erdölsektor gerade mal 0,5 Prozent der aktiven Arbeitskräfte.

Luanda im Öl-Rausch

Richtig profitiert vom Rohstoff-Reichtum hat bislang nur Angolas Hauptstadt Luanda: Wolkenkratzer ragen in den Himmel, die meisten Banken und Großunternehmen haben hier neue Hauptquartiere errichtet. Längst zählt die Fünf-Millionen-Metropole zu den teuersten Städten der Welt. Im Zentrum kann die Miete für eine Wohnung mehr als 5.000 Dollar kosten, der Quadratmeter Baufläche liegt bei mehr als tausend Dollar. Für eine einfache Mahlzeit - etwa einen Hamburger oder einen Teller Suppe - muss man im Schnitt zehn Dollar zahlen.

Die neue Hauptstraße Avenida Marginal in Luanda (Foto: DW/Renate Krieger)
Luxus für die Haupstadt: Die Avenida Marginal in LuandaBild: DW/Renate Krieger

Die Küstenstraße Avenida Marginal, die sich durch das große Bankenviertel zieht, ist sauber asphaltiert und scheint fast unbenutzt. Mit dem Öl-Geld hat die Regierung nach Ende des Bürgerkriegs 2002 auch das Straßennetz des Landes renoviert. Moderne Straßen verbinden heute viele Provinzstädte miteinander. Doch schon in den Seitenwegen der Avenida Marginal stauen sich die Autos. Wegen der vielen großen Schlaglöcher kommen sie nur schleppend voran. Die Ampeln blinken: An. Aus. An. Aus. Für ein paar Kilometer braucht man eine halbe Stunde.

Kein Asphalt, kein Wasser, kein Strom

Abgesehen von wenigen Prestigeprojekten bleibt den meisten Angolanern wenig vom Rohstoff-Boom ihres Landes. Das hat die Politik sogar schwarz auf weiß. Nach einem Bericht der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2012 leben 37 Prozent der Bevölkerung in "extremer Armut", also von weniger als einem Dollar am Tag. Im Jahr 2000 waren es nach Angaben der UNO noch 54 Prozent. Zwar hat sich die extreme Armut damit um ein Drittel verringert. Es hätte aber durchaus mehr sein können, denn das Land ist im gleichen Zeitraum extrem stark gewachsen: Das Bruttoinlandsprodukt hat sich nach Angaben der Weltbank von 660 US-Dollar im Jahr 2000 auf 5.150 US-Dollar im Jahr 2011 fast verachtfacht. Während die Armen also kaum gewonnen haben, sind die Reichen viel reicher geworden.

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"Der beste Weg, den nationalen Reichtum zu verteilen, ist durch die Schaffung von Arbeitsplätzen", erklärte der Jurist Norberto Garcia, ein Neuzugang der Regierungspartei MPLA, vor den Parlamentswahlen 2012. "Wir haben eine Analphabetenquote von 34 Prozent und das erschwert die Verteilung des Reichtums. Die Regierung muss deshalb die Bildung der Bevölkerung fördern, damit sie Arbeitsplätze kriegen." Mit einem nationalen Entwicklungsplan will die Regierung bis 2017 nun verstärkt Hunger und Armut bekämpfen, den Zugang zu Bildung und Arbeit fördern und den Energie- und Wasserzugang für die Bevölkerung verbessern.

Infografik Afrikas Rohstoffe Angola Deutsch

In Cazenga, dem am dichtesten bevölkerten Viertel Luandas, wäre das dringend nötig. Die Straßen sind nicht asphaltiert, bei Regen verwandeln sich die Verbindungswege in Schlammlöcher. Männer, Frauen und Kinder waten durch müllverschmutzte Pfützen. Strom gibt es nicht oder nur für ein paar Stunden am Tag. "Die Ingenieure des Energieunternehmens hier sagen, dass die Stauseen trocken sind. Die verstehen was davon, also müssen wir ihnen glauben", sagt Euricleurival Vasco, der mit seiner Schwester und ein paar Kindern vor einem Tomatenstand sitzt. Vasco trägt ein T-Shirt mit dem Foto von Agostinho Neto, dem ersten Präsidenten des unabhängigen Angolas. Der 27-Jährige ist einer von vielen hier in Cazenga, die Angolas Regierungspartei MPLA unterstützen - denn die meisten Politiker der Partei kommen aus diesem Viertel.

Eine Partei hat das Sagen

Ölleitungen in Angola (Foto: DW/Renate Krieger)
Etwa jeder vierte Angolaner ist arm: Wohin fließen die Rohstoff-Milliarden?Bild: DW/R. Krieger

Um fast sieben Prozent ist die Wirtschaft Angolas 2012 gewachsen. Für viele Industrieländer ist das eine Traumquote. Doch das Wachstum wird fast ausschließlich im Erdölsektor erzeugt, sagt der angolanische Ökonom Fernando Heitor. Und profitieren würden vor allem die Mitglieder der wirtschaftlichen und politischen Eliten um Präsident José Eduardo dos Santos. Er regiert das Land seit 33 Jahren. Im August 2012 wurde er zum ersten Mal demokratisch gewählt, wenn auch nur indirekt bei den Parlamentswahlen.

Immer wieder wird Regierung international kritisiert - wegen Vetternwirtschaft, Korruption und mangelnder Transparenz. Was etwa ist mit den rund 32 Milliarden Dollar passiert, die der staatliche Mineralölkonzern Sonangol zwischen 2007 und 2011 eingenommen hat? Nach einem Bericht des Internationalen Währungsfonds fehlt diese gigantische Summe in den öffentlichen Bilanzen. Das Geld sei für Infrastrukturprojekte ausgegeben worden, sagt die Regierung. Für welche Projekte genau, verschweigt sie jedoch.

Gebrochene Versprechen

Das Armenviertel Zango I in Viana, Angola (Foto: DW/Renate Krieger)
Kein Wohlstand für alle: In Viana leben die Menschen in BlechhüttenBild: DW/Renate Krieger

In Viana, einem Vorort von Luanda, warten von der Regierung vertriebene Bürger auf ein neues Zuhause - seit fünf Jahren schon. Anfangs wohnten sie auf der Ilha de Luanda, einer Landzunge an der Nordküste der Hauptstadt, gegenüber der Avenida Marginal mit den neuen Wolkenkratzern. Weil die Regierung dort eine Straße bauen lassen wollte, mussten die Anwohner 2009 weichen. Jetzt sind sie obdachlos, haben sich im Vorort Viana Blechhütten gebaut. Ganze Familien leben hier von gerade mal 300 Dollar im Monat.

Eine Stadt weiter, in Kilamba, stehen tausende neue errichtete Apartments leer. Nur 220 der fast dreitausend Wohnungen sind bisher verkauft worden. Kilamba ist Teil eines Wahlversprechens von Präsident José Eduardo dos Santos aus dem Jahr 2008. Damals wollte dos Santos eine Million bezahlbare Wohnungen für die Bevölkerung bauen. Der Kaufpreis der Wohnungen liegt zwischen 90.000 und 150.000 Dollar - für die Mehrheit der Angolaner ist das unbezahlbar.