Blick zurück nach vorn: 18. goEast Filmfestival
"Der eigenen Vergangenheit kann man nicht entfliehen", sagt goEast-Festivlaleiterin Heleen Gerritsen und gibt damit das Motto des diesjährigen Jahrgangs aus. Im Fokus: nationalistische Tendenzen in Ost- und Mitteleuropa.
Blick nach Ungarn: "Aurora Borealis"
Márta Mészáros heißt die Grande Dame des ungarischen Kinos, die in ihrem Film "Aurora Borealis" von einer Wiener Anwältin mit ungarischen Wurzeln erzählt. Mészáros blickt dabei gleich auf mehrere Generationen starker Frauen. Wie die Regisseurin selbst trotzen ihre Filmcharaktere den Widrigkeiten eines totalitären Systems. Den Film kann man auch als Kommentar zum Ungarn von heute interpretieren.
Polnische Gegenwart: "Es war einmal im November"
Neben Ungarn ist Polen das Land in Mitteleuropa, in dem demokratische Grundregeln derzeit ausgehebelt werden. Andrzej Jakimowskis Film "Es war einmal im November" erzählt in Form eines Sozialdramas auch mit dokumentarischen Mitteln von einem Jurastudenten und seiner Mutter. Das Klima im Lande wird von Aufmärschen der "Patrioten" und von Rechtsextremen geprägt: Polen im Wandel.
Litauische Provinzposse: "Das Wunder"
Polen spielt auch im Film der litauischen Regisseurin Eglė Vertelytė eine Rolle. Ein polnischer Dorfpfarrer, gespielt von Daniel Olbrychski, sorgt für satirische Szenen. Im Mittelpunkt des Films "Das Wunder" steht aber die Heimat der Regisseurin. Erzählt wird eine Episode aus dem Litauen der post-sowjetischen Ära und den Plänen eines US-Amerikaners mit litauischen Wurzeln, dort Fuß zu fassen.
Russischer Eskapismus: "Der unerschöpfliche Beutel"
Wenn man so will, dann kann man einen Film wie "Der unerschöpfliche Beutel" des Russen Rustam Khamdamov als Flucht aus der Gegenwart interpretieren. Wie soll man auch kritisch und realistisch über das Land in Zeiten eines Wladimir Putin erzählen? Khamdamov wählt die Form eines wunderschön fotografierten Märchens mit Verweisen auf "1001 Nacht" und Filme des japanischen Regisseurs Akira Kurosawa.
Nachwehen des Jugoslawien-Konflikts: "Unter Tage"
Tief in die Geschichte europäischer Nachkriegsgeschichte gräbt sich - im wahrsten Sinne des Wortes - der Film "Unter Tage" von Regisseurin Hanna Slak ein. Eine seit dem zweiten Weltkrieg verlassene Mine in Slowenien birgt ein Geheimnis. Beim Versuch dieses aufzuklären, kommen immer neue Schichten von Vertuschung, Verbrechen und alten Feindseligkeiten zu Tage.
Eine schwule Liebe im Kosovo: "Die Ehe"
Von früher Liebe und von den Schwierigkeiten zu seiner Sexualität zu stehen, erzählt der albanische Film "Die Ehe" von Blerta Zeqiri. Ein Paar will heiraten, doch durch einen Streit kurz vor der Eheschließung gerät alles ins Wanken. Die Vergangenheit holt die Geschehnisse der Gegenwart in Form eines früheren Freundes des Mannes ein.
Dokumentarisches aus Rumänien: "Die tote Nation"
Im Wettbewerb des goEast-Filmfestival des Mittel- und Osteuropäischen Films treten 16 Filme gegeneinander an, zehn Spiel- und sechs Dokumentarfilme. Regisseur Radu Jude aus Rumänien schickt seinen ersten Dokumentarfilm ins Rennen um die Festival-Preise. "Die tote Nation" gibt Einblicke in das Leben in Rumänien in den Jahren zwischen 1937 und 1946 - poetisch und realistisch zugleich.
Festival unter neuer Leitung: Heleen Gerritsen
Die niederländische Filmproduzentin und Kuratorin Heleen Gerritsen studierte Slawistik, Osteuropa-Geschichte und Volkswirtschaft in Amsterdam und Sankt-Petersburg und leitete das Filmfestival "Dokumentart" in Neubrandenburg. "Bei einem im westlichen Deutschland angesiedelten Filmfestival den Fokus auf Ost- und Mitteleuropa zu legen, ist so aktuell und notwendig wie eh und je", so Gerritsen.