Blockupy-Protest verebbt
20. Mai 2012Anne Siebert biegt um kurz nach elf Uhr auf den Baseler Platz ein, dort soll der Demonstrationszug der Blockupy-Bewegung starten. "Siehst du, das ist doch alles ganz friedlich", sagt sie zu ihrem Mann. Kapitalismuskritik ist nicht unbedingt ihre Sache, sagt Seibert, aber "im Grundgesetz steht, alle haben das Recht sich zu versammeln. Die Realität sah hier in den vergangenen Tagen anders aus und damit sind wir nicht einverstanden."
Die Demonstration auf dem Baseler Platz ist eine der wenigen Veranstaltungen, die im Rahmen der Blockupy-Aktionstage in Frankfurt überhaupt stattfinden. Die Frankfurter Ordnungsbehörden und die Polizei hatten prophezeit, Tausende Gewalttäter hätten vor, die Innenstadt zu verwüsten. Aus Furcht vor Gewaltexzessen waren deshalb im Vorfeld fast alle Aktionen pauschal verboten worden.
Demonstranten isoliert
Diejenigen Demonstranten, die trotzdem angereist waren, verbrachten die ersten beiden Tage versprengt in kleinen Grüppchen, bei kurzfristigen Sitzblockaden oder wurden von der Polizei vorübergehend festgenommen.
Die globalisierungskritische Bewegung hatte mit den internationalen Blockupy-Aktionstagen in Frankfurt noch einmal Fahrt aufnehmen wollen. Denn die Zeltstädte der Occupy-Aktivisten in den meisten Metropolen weltweit sind längst behördlich geschlossen worden. Erst am Mittwoch war das Camp in Frankfurt, gegenüber der Europäischen Zentralbank geräumt worden. Doch selbst hier hatte zuletzt eher verschlafene Katerstimmung geherrscht. Es war still geworden um die Kapitalismuskritiker.
Verbote schrecken Aktivisten ab
An den ersten beiden Tagen hatte es noch so ausgesehen als würde der Versuch der Aktivisten, die Frankfurter Innenstadt lahmzulegen, kläglich scheitern. Bis Freitag hatten sich nur zwischen 1000 und 3000 Menschen an den Aktionen beteiligt. Die Teilnehmerzahlen waren deutlich hinter den Erwartungen des Blockupy-Bündnisses zurückgeblieben. Die Veranstalter machten die strenge Verbotspolitik der Stadt Frankfurt für die geringe Zahl der Demonstranten verantwortlich. An dem Zusammenschluss der Bewegung sind rund 20 Gruppen beteiligt, darunter Arbeitnehmerorganisationen aus verschiedenen europäischen Ländern, Die Linke, Attac, Ver.di und Autonome.
Es war wohl eher Ironie, dass das Ziel der Bewegung, das Bankenviertel zu blockieren, dennoch erreicht wurde, wenn auch anders als gedacht. Weiträumige Absperrungen der Polizei hatten das Bankenviertel in der Innenstadt in eine Geisterstadt verwandelt, auch wenn der globale Kapitalaustausch wohl keine Sekunde zum Erliegen kam. Viele Banker blieben an diesem Tag einfach zu Hause und arbeiteten von dort aus.
"Krisenregime" Europäische Union
"Wir brauchen einen Rettungsschirm für die Menschen, nicht für die Banken", sagte Blockupy-Sprecher Roland Süß auf der Demonstration am Samstag (19.05.2012). Obwohl die Aktionstage häufig unter dem Stichwort Anti-Banken-Proteste veranstaltet werden, richtet sich das Bündnis vor allem gegen das 'Krisenregime' der Europäischen Union, "das Millionen Menschen in vielen Ländern Europas in Not und Elend stürzt", heißt es in dem Aufruf. Das ist zumindest inhaltlich konkreter als die Occupy-Bewegung jemals geworden ist. Auf bisweilen grobe Weise wurden damals Banker und Manager gegenüber den restlichen 99 Prozent der Bevölkerung zu den Sündenböcken der Finanzkrise erklärt.
Obwohl es zumindest in Frankfurt nie Angriffe von Occupy-Aktivisten auf Bankangestellte gab, hatte die Polizei den berufsmäßigen Anzugträgern während der Aktionstage zu Freizeitkleidung geraten. Offenbar grundlos, denn bei der Demonstration am Samstag blieben die Banker in Zivil in der bunten Menge zwar die Ausnahme, aber unversehrt. Markus Mayer, Mitglied der Frankfurter FDP, trägt einen beigefarbenen Zweiteiler und lauscht den Auftaktreden am Baseler Platz. "Gegen die Unterwerfung der Politik unter die Finanzmärkte", ruft ein Gewerkschaftsvertreter ins Mikrofon. Markus Mayer nickt zustimmend: "Das Banksystem hat sich von den nationalen rechtlichen Grundordnungen abgekoppelt", auch er fordert mehr politische und rechtliche Regulierung, deshalb sei er hier, erklärt er.
Gemeinsam gegen die soziale Ungleichheit
Die meisten Rednerinnen und Redner an diesem Tag sind um eine soziale und solidarische europäische Perspektive bemüht. Die Europäer sollten sich nicht gegeneinander ausspielen lassen und den Griechen, Spaniern und Portugiesen die Schuld geben, sondern gemeinsam gegen "permanenten Existenzkampf", "Finanzdiktatur" und "niedrige Löhne“ vorgehen. "Die Revolution ist noch nicht vorbei" prophezeit der Vertreter einer tunesischen Arbeitslosenorganisation vom Lautsprecherwagen aus. Er kritisiert vor allem die europäische Grenzpolitik, die das Nord-Süd-Gefälle und die soziale Ungleichheit zwischen den Kontinenten aufrechterhalten würde. Daraufhin ertönt eine altbekannte, längst tot geglaubte Parole: "Hoch die internationale Solidarität".
Anschließend zieht ein nicht enden wollender bunter Zug Menschen verschiedener Altersklassen und Nationalitäten - aller Prognosen zum Trotz - friedlich und lautstark am Main entlang und durch die Frankfurter Innenstadt. Ein beachtlicher Erfolg für die globalisierungskritische Bewegung. Die Occupy-Proteste hatten 2011 zu ihren Spitzenzeiten gerade einmal 10.000 Menschen auf die Frankfurter Straßen gebracht.
Ob die Demonstration am Samstag tatsächlich als ein Zeichen für das Erstarken dieser Bewegung angesehen werden kann, ist schwer auszumachen. Auch die Veranstalter gehen davon aus, dass die kollektive Empörung über die Versammlungs- und Demonstrationsverbote durch die Behörden für eine erhöhte Aufmerksamkeit gesorgt hat und so mehr Menschen mobilisiert wurden.