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Lebensrettende Karten

16. April 2010

Die Macher von "Ushahidi.com" entwickelten eine Software, die in Krisengebieten Leben retten kann. Die Site ist eigentlich kein Blog im engeren Sinne - dennoch wurde sie mit dem Deutsche Welle Blog Award ausgezeichnet.

https://p.dw.com/p/Mwkk
Logo Ushahidi Jurymitglied Mark Glaser (Foto: DW)
Jurymitglied Mark Glaser gab die Gewinner des "Besten Blog 2010" bekanntBild: DW

"Ich freue mich, das gesamte Ushahidi-Team wird sich über diese Auszeichnung freuen." Victor Miclovich ist einer der Software-Entwickler von "Ushahidi.com". "Ushahidi" ist Suaheli und heißt "Zeugenaussage". Die Website bietet Open-Source-Software an, die jeder kostenlos benutzen und verändern kann. Erst vor wenigen Monaten wurde sie nach dem Erdbeben in Haiti das erste Mal eingesetzt.

Benutzer konnten per SMS oder E-Mail Informationen an Ushahidi schicken, zum Beispiel darüber, wo Opfer verschüttet waren oder wo welche Hilfsgüter benötigt wurden. Daraus entstand eine interaktive Karte, die Hilfsorganisationen nutzten, um ihre Einsätze zu planen. Gabriel Gonzalez, Projektleiter der Deutsche Welle Blog Awards, moderierte die Jurysitzung. "Die Mitglieder waren beeindruckt vom Projekt und fanden, dies sei eine schöne Sache, die sowohl in Haiti als auch in anderen Ländern eingesetzt wird, und Menschen hilft."

Screenshot Ushahidi
Benutzer können an Ushahidi mailen, wo etwa Erdbeben-Opfer verschüttet sind - daraus entsteht eine interaktive Karte, die Helfer nutzen können

Die Deutsche Welle Blog Awards, kurz BOBs genannt, sind Auszeichnungen für herausragende Weblogs, Podcasts und Videoblogs aus aller Welt. In elf Sprachen und 17 verschiedenen Kategorien werden sie jedes Jahr vergeben und sind damit der größte internationale Preis für Blogs.

Unzählige Helfer

Die zwölfköpfige Jury aus Journalisten, Medienwissenschaftlern und Bloggern aus elf Ländern entschied sich mit einer knappen Mehrheit für die englischsprachige Seite Ushahidi. Etwa 20 Leute bilden den Kern dieses Projekts, die meisten davon kommen aus Afrika und Amerika. Inzwischen helfen viele Freiwillige in aller Welt, die Software weiterzuentwickeln und zu verbreiten.

Victor Miclovich (Foto: DW)
Victor Miclovich arbeitet seit fünf Monaten für "Ushahidi.com"Bild: DW

Miclovich ist überrascht, dass ausgerechnet sie einen Preis für den besten Blog bekommen haben. "Wir betreiben eigentlich keinen Blog. Wir haben eine Plattform konstruiert, auf der wir die Benutzer Inhalte generieren lassen. Das heißt, wir sammeln Informationen von Leuten und die Leute schreiben die Blogs." Doch genau dieses Prinzip hat die Jury überzeugt.

"Demonstrationen, Plünderungen, Tote"

Ushahidi wurde von Freiwilligen in Kenia vor etwa zwei Jahren gegründet. Während der blutigen Unruhen nach der Präsidentschaftswahl herrschte Chaos im Land. Tausende Menschen teilten per SMS oder E-Mail den Betreibern des Blogs mit, wo Kämpfe oder Annäherungen stattfanden. Die Zeugenaussagen wurden zusammen mit der Ortsangabe auf einer interaktiven Karte im Internet veröffentlicht. Dabei gab es verschiedene Kategorien, die man sich anzeigen lassen konnte: Demonstrationen, Plünderungen, Tote.

Seitdem hat sich das Projekt in viele Richtungen entwickelt. "Ushahidi ist etwas, das Menschen eigenständig auf ihren Computern nutzen", sagt Miclovich. "Wir helfen ihnen nicht, wir fahren nicht raus und richten alles für sie ein. Die Leute entwickeln Ushahidi so weiter, wie sie es brauchen."

In Mexiko und Indien wurden im vergangenen Jahr 2009 die Wahlen durch Ushahidi beobachtet. Auch eine Weltkarte für Ausbrüche von Schweinegrippe existiert bereits. Dabei ist Ushahidi nicht allein auf Katastrophen und negative Ereignisse beschränkt. In Kenia nutzt man die Seite, um wilde Tiere in einem Nationalpark zu lokalisieren.

Einsatz für die Pressefreiheit

Lucie Morillon von "Reporter ohne Grenzen" (Foto: DW)
Lucie Morillon von "Reporter ohne Grenzen"Bild: DW

Der Preis in der Kategorie "Reporter ohne Grenzen Award" ging an die Iranerin Zhila Bani Jaghob und ihren Blog "Wir sind Journalisten". "Sie ist eine Heldin der freien Meinungsäußerung", begründete Lucie Morillon von der Journalisten-Organisation "Reporter ohne Grenzen" die Wahl der Jury. Mit dem Preis soll Jaghobs enormes Engagement geehrt werden. "Sie ist eine der wenigen Journalisten, die noch immer im Iran arbeitet", sagt Morillon. Sie schreibt offen, kritisch und mutig zum Beispiel über die Verhörtechniken der Regierung und die Zustände in iranischen Gefängnissen. Sie selbst war bereits drei Mal in Haft. Ihr Mann, ebenfalls Journalist, ist zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.

Einsatz gegen den Klimawandel

Screenshot Colunazero
Engagement für Ökotourismus auf "Colunazero.com.br"Bild: colunazero.com.br

Der Sonderpreis "Special Topic Award Climate Change" ging an eine Gruppe junger brasilianischer Blogger. Ihre Website "Coluna Zero" setzt sich mit Ökotourismus und Umweltbewusstsein in Brasilien auseinander. Mit vielen kreativen Videos wollen sie animieren, über Konsumkultur nachzudenken und posten zum Beispiel über umweltfreundliche Campinglampen. Das besondere an diesem Blog sei, dass die jungen Blogger für ihre Recherchen durch das ganze Land reisen und ihre Ergebnisse locker und unterhaltsam präsentierten, sagt Rosana Hermann, Jurymitglied aus Brasilien. Zum Beispiel verfolgten sie einen völlig verschmutzten Fluss bis zu seiner Quelle, um herauszufinden, dass ein Fluss nicht von Anfang an Müll mit sich trägt. So machten sie wirkungsvoll auf Umweltverschmutzung aufmerksam.

Einsatz für mehr Ironie

Screenshot der-postillon
Nicht ironiefrei: Der "Postillon" ist der beste deutsche BlogBild: der-postillon.com

"Ehrliche Nachrichten - unabhängig, schnell, seit 1845." Mit diesem Motto arbeitet die deutsche Onlinezeitung "Der Postillon". Sie gewann den Preis für den "Besten deutschen Weblog". Die Website könne es spielend mit dem größten deutschen Satiremagazin "Titanic" aufnehmen, davon ist das deutsche Jurymitglied Jens Berger überzeugt. Der Blog habe ein hervorragendes Design und spiele viel mit Bildern.

Vor allem der ironische Humor konnte die Jury überzeugen. "Der Postillon" ist eine fiktive Onlinezeitung, die ausschließlich ironische, witzige und teils fiktive Meldungen verbreitet, dabei aber versucht, völlig ernst zu wirken. "Satanisten klagen über Mitgliederschwund" oder "Neue CIA-Taktik sieht vor, dass Osama bin Laden in den nächsten 20 bis 40 Jahren an Altersschwäche stirbt" sind typische Schlagzeilen. Seit Oktober 2008 betreiben Stefan Sichermann und ein Team von Autoren den Blog.

Autorin: Nina Plonka

Redaktion: Manfred Götzke / Kay-Alexander Scholz