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Autos raus!

Klaus Esterluss
26. Mai 2017

Berlin ist nicht gerade ein einfaches Pflaster für Radfahrer. Das behaupten nicht nur zwei Rankings, sondern auch unser Autor, der täglich mit dem Rad in der Stadt unterwegs ist.

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Radfahrer fahren auf Bürgersteig entlang einer dicht befahrenen Straße
Bild: DW/K.Esterluß

Fahrradfahren gehört zu meinem Leben wie kaum etwas anderes. Wann immer ich ins Büro muss, nutze ich das Fahrrad. Einkäufe erledige ich ebenfalls mit dem Rad, und ich transportiere, was drauf passt, von A nach B. Dabei fahre ich nicht unbedingt viele Kilometer: Von der Wohnung zum Büro sind es nur knapp 6 Kilometer. Hin und zurück fahre ich also im Schnitt 12 Kilometer pro Tag. Der Berliner bleibt in seinem Kiez.

Warum ich das mache, liegt auf der Hand. Ich will mich bewegen, um nicht den Großteil des Tages am Schreibtisch zu sitzen. Aus dem selben Grund gehe ich oft auch längere Strecken zu Fuß.

Weltretten, aber nicht alleine

Ich glaube, dass jeder Fahrradfahren sollte. Und allein bin ich nicht, wie es scheint. Die Stadt Berlin hat insgesamt 17 Zählstationen installiert, an denen vorbeifahrende Radler automatisch erfasst werden. Es sind eine Menge. Die Zahlen kann manonline nachvollziehen.Demnach fahren die meisten Berliner an der Zählstelle Oberbaumbrücke vorbei. Hier sind die Bezirke Friedrichshain und Kreuzberg verbunden. Im Mai waren das schon 998.970 Menschen, im Monat also knapp 250.000, die sich am dichten Autoverkehr vorbeigequält haben.

Wenn ich im Berufsverkehr auf einer der größeren Hauptstraßen fahre, dann würde ich manchmal gern an jede Scheibe klopfen und die Fahrer fragen, warum sie sich das antun. Beinahe alle fahren allein, niemand scheint Fahrgemeinschaften zu bilden. Stattdessen stehen sie Tag für Tag zur selben Zeit im selben Stau. Das frustriert, nehme ich an.

Schatten eines Fahrrads samt Mensch, der das Rad schiebt
Bild: DW/K.Esterluß

Anders kann ich mir die Aggressivität unter den Autofahrern nicht erklären. Gerade weil ich jeden Tag fahre, befinde ich mich auch beinahe täglich in der Gefahr, mit quietschenden Reifen haarscharf überholt zu werden oder eine Notbremsung zu machen, weil vor mir unachtsam eine Tür geöffnet wird. Für 17 Menschenendeten Unfälle mit Autos und Lkw im Jahr 2016 tödlich, meldet der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e. V. (ADFC). Der Grund für die Unfälle ist das Ignorieren von roten Ampeln, aber auch die allgemein nicht auf Fahrräder ausgelegte Infrastruktur der Stadt.

Autofahrer und Radler sind übrigens gleichermaßen nachlässig. Auch unter den Radfahrern gibt es "schwarze Schafe", die Ampeln nicht verstehen oder sich schnell durch dichten Verkehr zwingen müssen. Zu denen gehöre ich nicht. Zumal ich auch Kinder habe und fast zwangsläufig Vorbild sein will.

Die Stadt ist am Zug

Mir würde das noch leichter fallen, wenn das Leben der Radler und der Autofahrer in Berlin einfacher und harmonischer wäre. Oft ist es das aber nicht. Meiner Meinung nach fehlt es an deutlich abgegrenzten Radwegen, an Ampelschaltungen, die nicht auf Autos ausgerichtet sind, sondern auch Radler und Fußgängern den Vorzug geben. Ich komme täglich an Ampeln vorbei, die den schwächeren Teilnehmern im Straßenverkehr nur wenige Sekunden Luft lassen, um über die Fahrbahn zu hetzen. Manchmal bleibt dann auch nur der Weg bei Rot.

Legen wir mal den Copenhagenize Index zugrunde, eine Kalkulation, die so heißt, weil a) die dänische Hauptstadt Kopenhagen immer gewinnt und b) hier auch die Begründungen für alle betrachteten Städte verfasst werden. Das mag ein kleines Bisschen parteiisch sein, aber Berlin kann und muss lernen. Die deutsche Hauptstadt ist bei der letzten Runde auf Platz 12 gelandet, war im Jahr 2011 aber auch schon mal auf 5.

Fahrradfahrer auf einer Straße in Berlin, die in einer große Baustelle mündet
Bild: DW/K.Esterluß

Warum ist das so? Berlin, sagen die Organisatoren, ruht sich auf seinem "arm & sexy"-Image aus, die Leute kommen schon klar, also passiert wenig an der Infrastruktur der Stadt. Statt ins Fahrrad zu investieren, wird das Auto hofiert, sagen die Forscher. Dabei wäre es wesentlich billiger andersrum. Und die Stadt braucht mehr Stellflächen. Der ADFC sieht Berlin in seinem Ranking von 39 deutschen Städten übrigens auf dem viertletzten Platz.

Ich würde persönlich mit meinen Forderungen noch weiter gehen: Gebt Radfahrern mehr Platz, lasst die Autos nicht mehr in die Innenstadt. Gebt den Autofahrern stattdessen einen Grund aufs Rad oder in den Nahverkehr umzusteigen, den gibt es ja schließlich auch. Es gibt vermutlich keine Stadt, die weniger auf Autos angewiesen ist, als Berlin. Und wenn ich den halben Tag im Stau stehe, kann ich auch Fahrrad oder Straßenbahn fahren und bin genauso schnell am Ziel. Im Zweifel tue ich auch noch was für die Gesundheit.