Blogger: "Atheisten müssen sterben"
12. Mai 2015DW: Ananta Bijoy Das, ein Blogger, der bei einer Bank gearbeitet hat, ist am Dienstag niedergestochen worden. Asif, glauben Sie, dass sich Ihr Freund und Kollege Ananta Bijoy der Gefahr bewusst war, dass auch er ein Opfer islamistischer Morde werden könnte?
Asif Mohiuddin: Ich habe in den vergangenen zwei Monaten versucht, Ananta Bijoy außer Landes zu bringen. Ich habe alle notwendigen Papiere dafür zusammengestellt und einigen Organisationen übermittelt, weil er schon seit langer Zeit bedroht wurde. Mehrmals hat er mir gesagt, dass er auf der Todesliste (von Terroristen, Anm. d. Red.) stehe und dass er wegen der Drohungen zu Hause bleibe. Irgendwer hat vor einigen Monaten sein Haus überfallen und er hatte Angst und Panik. Ich habe ihm geraten, das Haus nicht zu verlassen, aber er musste zur Arbeit gehen. Er ist ein guter Freund von mir gewesen und ich bin wirklich erschüttert.
Wie reagieren die Menschen in Bangladesch auf diesen Mord?
Die Blogger, die ich kenne, sind im Moment in einem Panikzustand. Einige von ihnen haben aufgehört zu schreiben, andere haben sich versteckt. Wieder andere wollen das Land verlassen. Das ist jetzt der neunte Mord seit 2013. Im Jahr 2013 wurde ich angegriffen und schwer verletzt, der Blogger Rajiv Haider wurde kurze Zeit später umgebracht. Und viele andere Blogger wurden in den vergangenen zwei Jahren angegriffen.
Welche Maßnahmen hat die Regierung unternommen, um solche Vorfälle zu unterbinden?
Meine persönliche Vermutung ist, dass die Regierung Fundamentalisten unterstützt. Vielleicht ist es ihnen egal oder vielleicht haben sie auch Angst vor ihnen, ich weiß es nicht, aber nach dem Tod von Avijit Roy hat unsere Premierministerin (Sheik Hasina, Anm. d. Red.) mit dessen Vater, Ajay Roy, gesprochen. Das ist nie in den Medien erwähnt worden. Es war ein geheimer Anruf, mit dem sie ihr Bedauern über den Vorfall ausdrücken wollte. Unsere Premierministerin denkt, dass es ein schlechtes Licht auf ihre Partei wirft, wenn sie Atheisten unterstützt. Unsere Politiker wollen nicht als Unterstützer von Säkularisten oder Atheisten gesehen werden. Sie wollen anderen zeigen, dass sie sehr islamistisch sind und das ist der Grund, warum sich Fundamentalisten trauen, Blogger umzubringen.
Was genau meinen Sie, wenn Sie von "atheistischem Schreiben" sprechen?
Unser Schreiben wird von der Logik geprägt, wir bekennen uns zu den Naturwissenschaften und zur Vernunft. Wir nennen uns selber Atheisten und wir glauben nicht an Gott oder an eine andere Religion.
Glauben Sie, dass die normale Bevölkerung diese Fundamentalisten unterstützt?
Nein. In vielen islamischen Staaten unterstützen die Menschen die Islamisten nicht. Aber sie denken, dass jemand, der den Islam oder den Propheten Mohammed kritisiert, die Todesstrafe oder eine andere Strafe bekommen sollte. Viele Menschen rechtfertigen also die Anschläge und sagen: In Ordnung, diese Person war ein Atheist und er ist deshalb zu Tode gekommen.
Wie kommt es, dass sich solche Vorfälle auf offener Straße ereignen? Wo ist in diesen Fällen die Polizei?
Alles geschieht sehr schnell. Als sie mich angegriffen haben, dauerte das keine dreißig Sekunden und ich war schwer verletzt. Und Avijit Roys Frau hat mir erzählt, dass der Angriff auf sie und ihren Mann höchstens eine Minute gedauert habe. Bevor die Menschen um die Opfer herum reagieren können, rennen die Mörder schon weg. Diese Mörder, meistens von Ansar-ul-Bangla (verbunden mit Al-Kaida auf dem indischen Subkontinent, Anm. d. Red.), haben in Bangladesch eine starke Basis. Sie arbeiten mit sogenannten "schlafenden Zellen", die manchmal reagieren und sonst versteckt bleiben. Imame von Moscheen in Bangladesch gehören zu Ansar-ul-Bangla. Aber die Männer, die tatsächlich losziehen, um zu töten, wissen nichts über Al-Kaida. Ich habe mal einen Kriminalbeamten gefragt, warum keiner der Mörder von Avijit Roy gefasst wurde. Er hat geantwortet, dass Atheisten auf diese Weise sterben müssten. Das sei normal.
Wie steht es um Ihre Sicherheit und die Ihrer Familie?
Ich habe Angst. Meine Familie ist in Bangladesch; sie ist in Sicherheit. Ich lebe in Deutschland, aber ich fühle mich hier nicht sicher, weil sie (die Terroristen, Anm. d. Red.) eine starke Basis haben und weil mein Name seit langer Zeit auf ihrer Todesliste steht.
Asif Mohiuddin ist ein Blogger aus Bangladesch. Er ist als Stipendiat nach Deutschland gekommen, nachdem er einen Gefängnisaufenthalt in Dhaka und 2013 einen brutalen Überfall durch Islamisten überlebt hat. Der liberale Autor hat den DW Best of Blogs Award 2012 gewonnen für seinen Blog "Gott, Allmächtiger nur im Namen, aber machtlos in der Realität."