Bloggerin Zhang Zhan in Lebensgefahr
13. November 2021Die Mutter der inhaftierten chinesischen Bloggerin und Bürgerjournalistin Zhang Zhan hat angekündigt, am kommenden Montag (15.11.) das Gefängnis im Shanghaier Bezirk Pudong nochmals zu besuchen. Hier sitzt ihre Tochter seit mehr als 500 Tagen. Die Mutter will einen schriftlichen Antrag auf Freilassung ihrer Tochter aus humanitären Gründen überreichen. Der Bruder der verurteilten Journalistin Zhang Ju schrieb vor kurzem auf Twitter: "Falls (Zhang Zhan) nicht mehr lange überlebt, wird die Welt hoffentlich in Erinnerung haben, wie sie einmal aussah."
Die 38-jährige Zhang Zhan wurde im vergangenen Mai festgenommen und ist im Hungerstreik. Im Dezember wurde sie zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie "Streit geschürt und Unruhe gestiftet" hätte. Zhang Zhan war eine der wenigen, die kurz nach dem Ausbruch des Coronavirus in Wuhan Ende 2019 unabhängig und kritisch über das Krisenmanagement in der zentralchinesischen Metropole berichteten. Im Januar riegelten die Behörden zunächst Wuhan, später die gesamte Provinz Hubei ab. Berichte und Videos von überfüllten Krankenhäusern, überlasteten Krematorien und verzweifelten Bürgern passten nicht zur Erfolgsstory der erfolgreichen Pandemiebekämpfung durch die Partei mit Xi Jinping an der Spitze. Neben Zhang nahm die Polizei mindestens drei weitere Blogger fest, die die Ereignisse in Wuhan aufgegriffen hatten.
Kritischer Gesundheitszustand
Zhangs Bruder schrieb jüngst auf Twitter, dass seine 1,77m große Schwester keine 40 Kilogramm mehr wiege. "Sie ist so hartnäckig, dass sie es womöglich nicht mehr schafft, diesen Winter zu überleben." Nach Angaben von Familie und Rechtsanwälten trat sie bereits Juli in den Hungerstreik und leide seither unter starker Unterernährung. Ende Oktober sei ihre Mutter zu Besuch gewesen, da sei Zhang Zhan extrem geschwächt gewesen.
Mehrere Menschenrechtsorganisationen haben chinesische Behörden aufgefordert, aus humanitären Gründen Zhang Zhan umgehend freizulassen. Auch das US-Amerikanische Außenministerium äußert sich in dieser Woche "sehr besorgt über den Fall".
Nach Angaben ihres Rechtsanwalts Zhang Keke hat Zhang Zhan bereits im letzten Jahr angefangen, die Nahrungsaufnahme zu verweigern. Bei einem Besuch habe er gesehen, dass man Zhang gefesselt hatte, damit sie die Sonde zur künstlichen Zwangsernährung nicht entfernen kann.
Die in Großbritannien lebende Bürgerrechtlerin Wang Jianhong sagte im Gespräch mit der DW, die Mutter habe versucht Zhang Zhan zu überreden, "normal zu essen." Aber Zhang Zhan habe das abgelehnt, sie bestehe darauf, dass sie unschuldig sei.
Ren Quanniu, eine Rechtsanwältin von Zhang Zhan, teilte der DW mit, ihre Mandantin werde wahrscheinlich mit dem Hungerstreik weitermachen. "Beim Besuch hat sie immer wieder betont, dass sie damit nicht für ihre Freiheit sondern gegen die Einschränkung der Meinungsfreiheit protestiere." Ren rechnet nicht damit, dass Zhang Zhan aus humanitären oder medizinischen Gründen auf Bewährung freigelassen werde, weil Zhang keine Kompromisse machen wolle. "Selbst wenn etwas Schlimmes passieren würde, würden die Behörden behaupten, es sei Zhang Zhans eigene Wahl gewesen."
Freilassung nur unter Bedingungen
Der chinesische Bürgerrechtler Li Dawei (nicht der gleichnamige Schriftsteller) sagte gegenüber Radio Free Asia, er habe den Behörden angeboten, er würde versuchen, Zhang Zhan "mit ideologischer Arbeit" von ihrem Hungerstreik abzubringen, wenn sie ihn zu ihr ließen. Er habe jedoch keine Antwort erhalten. Gegenüber der DW sagt Li, bisweilen würden politische Häftlinge unter strengen Bedingungen auf Bewährung freigelassen. Er berichtet aus eigener Erfahrung: "Die chinesischen Behörden verlangen zum Beispiel ein Geständnis der vorgeworfenen Straftat, oder dass man draußen niemals über den Fall öffentlich redet. Zhang Zhan würde solche Bedingungen niemals akzeptieren, sonst wäre sie schon längst auf freiem Fuß."