Untersuchungsausschuss legt Abschlussbericht Abschlussbericht vor
19. Juni 2009Gut drei Jahre nach seiner Konstituierung hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Rolle der deutschen Geheimdienste im Anti-Terror-Kampf am Freitag (19.06.2009) in Berlin seinen Abschlussbericht vorgelegt. Seit April 2006 hatte das Gremium unter anderem versucht herauszubekommen, ob deutsche Stellen an der Verschleppung Terrorverdächtiger beteiligt waren und warum während des US-Krieges gegen den Irak Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Bagdad stationiert waren.
Während die Opposition von einer zumindest indirekten Beteiligung an Folter, Verschleppung und Krieg spricht, können die Sozialdemokraten kein Fehlverhalten erkennen. Ihr Koalitionspartner, die Union, verteidigt zwar die deutsche Strategie im Anti-Terror-Kampf, wirft der früheren rot-grünen Regierung aber Unglaubwürdigkeit während des Irak-Kriegs vor. Entgegen allen Behauptungen habe sich Deutschland doch am US-Feldzug gegen das Regime des Diktators Saddam Hussein beteiligt.
Was wussten Steinmeier und Fischer?
Der Abschlussbericht des Geheimdienst-Untersuchungsausschusses wurde dort präsentiert, wo seit dem Frühjahr 2006 die meisten öffentlichen Sitzungen stattgefunden haben: im so genannten Europa-Saal eines Parlamentsgebäudes gegenüber dem Bundeskanzleramt.
Besonders groß war das Interesse der Medien und der Öffentlichkeit immer dann, wenn hochrangige Politiker wie der frühere grüne Außenminister Joschka Fischer oder sein Nachfolger, der Sozialdemokrat Frank-Walter Steinmeier, auf die zum Teil bohrenden Fragen der Parlamentarier antworten mussten. Schließlich ging es bei diesem Untersuchungsausschuss auch um die Frage, wie glaubwürdig der Anti-Kriegskurs der bis 2005 regierenden rot-grünen Koalition war.
5700 Seiten Vernehmungsprotokolle
Eine klare, gemeinsame Antwort darauf haben die Abgeordneten nicht gefunden, trotz 65 Sitzungen, 140 Zeugen und 5700 Seiten Vernehmungsprotokollen. Der Abschlussbericht umfasst nun Sondervoten der drei Oppositionsfraktionen und ist 3500 Seiten dick. Was den christdemokratischen Ausschussvorsitzenden Siegfried Kauder zu einer lapidaren Frage veranlasste: "Meine Damen und Herren, wer liest so etwas?"
Wahrscheinlich niemand, dürfte die Antwort lauten. Aber natürlich gaben sich alle Beteiligten viel Mühe, um unter anderem die drängende Frage zu beantworten, warum der aus Bremen stammende Türke Murat Kurnaz mehr als vier Jahre unschuldig im berüchtigten US-Gefangenenlager Guantanamo leiden musste. Und vor allem, warum er nicht früher nach Deutschland zurückkehren konnte, obwohl die Amerikaner ihre Bereitschaft dazu signalisierten?
CIA-Flüge im deutschen Luftraum
Letztlich ungeklärt blieb auch, warum sich Flugzeuge des US-Geheimdienstes CIA mit entführten Gefangenen unbehelligt im deutschen Luftraum bewegen konnten. Diese und andere Fragen wurden rund drei Jahre lang gestellt. Das Ergebnis erscheint dem Ausschuss-Vorsitzenden Siegfried Kauder dann doch etwas dürftig: "Und nun stellen Sie sicherlich berechtigt die Frage: Was kam denn bei diesem Riesenaufwand am Ende raus?"Die Opposition bewertet den Untersuchungsausschuss trotz aller Fragezeichen als Erfolg. Max Stadler, Obmann der Freien Demokraten, hält das Image der ehemaligen rot-grünen Regierung im Nachhinein für beschädigt. Im Anti-Terrorkampf habe es durch schärfere Gesetze und die Einschränkung von Bürgerrechten eine Entwicklung hin zum Präventionsstaat gegeben. Die deutsche Politik sei geprägt gewesen "von der Angst, von anderen, beispielsweise von den USA, der Nachlässigkeit beim so genannten Krieg gegen den Terror bezichtigt zu werden", sagte Stadler.
"USA für Skandale verantwortlich"
Der Obmann der Sozialdemokraten, Michael Hartmann, hält die rot-grüne Regierung für entlastet. Skandale im Anti-Terrorkampf hätten allein die USA zu verantworten. Dort seien alle Grenzen fallen gelassen und überschritten worden. Guantanamo und das von den USA betriebene Folter-Gefängnis Abu Ghraib im Irak seien dafür sinnfällige Beispiele. Hartmanns Schlussfolgerung: "Bei dieser Politik hat die damalige deutsche Bundesregierung so wenig wie die heutige mitgemacht, weder unterstützend noch duldend."
Auch die Union kann im Großen und Ganzen keine Mitschuld der Deutschen erkennen - außer, wie ihre Obfrau Kristina Köhler sagte, beim Einsatz von zwei Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Bagdad während des Irak-Krieges. Dabei sei es durchaus plausibel, dass man sich ein eigenes Bild von den Kampfhandlungen machen wollte. Es sei aber nicht plausibel, dass die Bundesregierung für ihr Lagebild auch Informationen über militärische Sachverhalte inklusive präziser militärischer Koordinaten benötigt haben soll, kritisierte Köhler. "Es ist offensichtlich, dass solche Informationen nur einer gebrauchen konnte: nämlich die USA."
Steinmeier weist Mitschuld zurück
Der Grünen-Obmann Hans-Christian Ströbele schloss sich in der Beurteilung des BND-Einsatzes in Bagdad seinen Kollegen Max Stadler von den Freidemokraten und Norman Paech von den Linken an: "Die politische Verantwortung dafür trägt der damalige Chef des Bundeskanzleramtes."
Kanzleramtschef und verantwortlich für die Koordination der Geheimdienste war während der rot-grünen Koalition Frank-Walter Steinmeier. Der heutige Außenminister, der nach der Bundestagswahl Ende September gerne Bundeskanzler werden will, weist jede Mitschuld von sich.
Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Thomas Grimmer