BND soll den USA irakische Verteidigungspläne übergeben haben
27. Februar 2006Der deutsche Geheimdienst hat die Vereinigten Staaten einem Zeitungsbericht zufolge beim Irak-Krieg entscheidender unterstützt, als von der Bundesregierung bisher dargestellt. Das berichtet die "New York Times" am Montag (27.2.2006) unter Berufung auf eine bislang geheime Studie des US-Militärs. Zwei deutsche Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Bagdad hätten sich eine Kopie der Geheimpläne des damaligen irakischen Präsidenten Saddam Hussein vom Dezember 2002 verschaffen können. Dank dieser Hilfe habe das US-Militär einen Einblick erhalten, wann und wie der Ex-Diktator besonders loyale Soldaten in Stellung bringen wollte. Das Papier habe den USA auch einen außergewöhnlich guten Überblick über den Stand der Diskussion im Führungszirkel des Regimes gegeben.
"Durch das Beschaffen der irakischen Dokumente haben deutsche Geheimdienstbeamte den USA bedeutsamere Hilfe geleistet, als es ihre Regierung öffentlich zugegeben hat", schrieb die Zeitung. Die beiden BND-Mitarbeiter hätten das Material zunächst an ihre Vorgesetzten weitergeleitet. Im Februar 2003 sei das Dossier von einem deutschen Geheimdienstoffizier in Katar einem Kollegen vom US-Militärgeheimdienst überlassen worden.
"Agenten kannten den Plan nicht"
Die Bundesregierung wies den Bericht zurück. Der Verteidigungsplan sei den deutschen Agenten nicht bekannt gewesen und habe deshalb auch nicht an die USA weitergegeben werden können, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Montag in Berlin. Ausweichend äußerte sich der Regierungssprecher aber zu Fragen, ob möglicherweise ein anderer als der erwähnte Plan zur Verteidigung der irakischen Hauptstadt an die USA weitergegeben worden sei und zur Frage, ob der BND Kenntnis über Verteidigungspläne für Bagdad gehabt habe.
"Die Behauptung, die beiden BND-Mitarbeiter hätten den Plan Saddam Husseins zur Verteidigung der irakischen Hauptstadt beschafft und bereits einen Monat vor Kriegsausbruch den USA übermittelt, ist falsch", erklärte auch der BND am Montag in Berlin. Weiter heißt es in der BND-Erklärung, alle Berichte des betreffenden Sonder-Einsatz-Teams in der Zeit vom 15. Februar 2003 bis zum 2. Mai 2003 seien Gegenstand der Unterrichtung im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) zu den Geheimdienstaktivitäten gewesen.
"Klar definierter Spielraum"
In Deutschland wird sich in den nächsten Tagen entscheiden, ob es einen Untersuchungsausschuss zur Rolle der Geheimdienste im Irak- beziehungsweise Anti-Terror-Krieg geben wird. Nach der Zustimmung der Grünen und der Linkspartei hängt die Entscheidung von der FDP als größter Oppositionspartei im Bundestag ab.
Die Bundesregierung hatte am Donnerstag (23.2.2006) ihren Bericht zum Irak-Einsatz des BND veröffentlicht. Der Handlungsspielraum der beiden BND-Mitarbeiter im Irak sei klar definiert und sehr eingeschränkt gewesen, heißt es in dem Bericht. So habe es für sie die strikte politische Vorgabe gegeben, dass sie durch ihren Einsatz keinesfalls die Kampfhandlungen unterstützen durften.
"Regierungsbericht fehlerhaft"
Der FDP-Politiker Max Stadler verlangte von der Bundesregierung eine Stellungnahme. "Wenn sich diese Informationen bestätigen, wäre das selbstverständlich eine dramatische Wendung", sagte Stadler am Montagmorgen im Deutschlandfunk. Da die Regierung von dem Vorgang bislang nichts berichtet habe, müsse sie nun Stellung nehmen, "möglicherweise zunächst einmal in einer Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums", sagte Stadler weiter. Der FDP-Innenexperte ist Mitglied des PKG.
Auch die Union forderte eine rasche Aufklärung. Es handle sich um einen gravierenden Vorgang und keine Petitesse, sagte der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach der "Netzeitung". Das Parlamentarische Kontrollgremium, das die deutschen Geheimdienste überwacht, müsse möglichst bald tagen. Aufklärung sei nötig, um Spekulationen entgegenzuwirken.
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth bezeichnete den Regierungsbericht am Montag als fehlerhaft. Sie forderte die FDP auf, einem Untersuchungsausschuss zuzustimmen. "Der Bericht lässt viele Fragen offen", sagte Roth. Es sei sonderbar, dass die Freidemokraten erst "großmäulig" einen Untersuchungsausschuss gefordert hätten, sich jetzt aber damit schwer täten.
Hilfe bei der Zielerfassung
Der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele - ebenfalls Mitglied im PKG - hatte bereits am Mittwochabend nach einer PKG-Sitzung gesagt, er sei überzeugt, dass die beiden nach Kriegsausbruch in Bagdad verbliebenen BND-Agenten "Objekte aufgeklärt und nach Deutschland zur Weitergabe an US-Stellen weitergeleitet haben". Es habe vier schriftliche Meldungen mit elf Zielen gegeben. Überwiegend hätten diese Meldungen auch geographische Koordinaten enthalten. Die Bundesregierung sei nach Angaben von Ströbele über die konkrete Tätigkeit der beiden BND-Mitarbeiter in Bagdad nicht informiert gewesen.
Die BND-Mitarbeiter seien in Bagdad gewesen, als das US-Militär Vorbereitungen für die geplante Invasion des Irak traf, schreibt nun die "New York Times". Zu ihren Aufgaben gehörte laut der US-Studie, den geheimen Verteidigungsplan Bagdads zu bekommen. Die irakische Führung habe jahrelang die Strategie verfolgt, Truppen entlang der Einfallroute nach Bagdad in Stellung zu bringen, um so einmarschierenden Truppen möglichst große Verluste zuzufügen. Im Dezember 2002 habe Saddam jedoch den Plan geändert. Der neue Plan sah vor, mehrere Verteidigungsringe um Bagdad zu legen, darunter eine "rote Linie", die die Republikanischen Garden bis zum bitteren Ende halten sollten.
Als kooperativ eingestuft
Die geheime US-Militärstudie enthalte auch eine Kopie der Skizze der BND-Mitarbeiter. "Die Zeichnung hatten die Deutschen von einem ihrer Informanten in Bagdad (Identität der Quelle unbekannt) erhalten", heißt es in der Studie. "Als die Bombardierung begann, stellten die Agenten ihre Operationen ein und zogen sich in die französische Botschaft zurück." Nach Informationen des Berliner "Tagesspiegels" erhielten die beiden BND-Agenten nach dem Irak amerikanische Auszeichnungen für ihre Tätigkeit.
Bereits vor Beginn des Krieges hatten die USA eine vertrauliche Liste von Ländern aufgestellt, die bereit waren, Washington als Mitglied in der "Koalition der Willigen" zu unterstützen. Deutschland sei zwar vehement gegen den Krieg gewesen, habe das amerikanische Vorhaben aber nicht behindert und sogar in begrenztem Rahmen eine Zusammenarbeit angeboten, schreibt die Zeitung. Deshalb sei es als "nicht der Koalition angehörend, aber kooperierend" eingestuft worden, sagte ein Pentagon-Mitarbeiter, der namentlich nicht genannte werden wollte, der Zeitung. (stu)