Boliviens Kampf fürs Koka
Mit dem "Nationalen Tag des Koka-Kauens" will Bolivien die Entstigmatisierung der Pflanze vorantreiben. Denn aus Koka, das in dem Andenstaat traditionell angebaut wird, lässt sich sehr viel mehr herstellen als Kokain.
Singen gegen die Stigmatisierung
Am 11. Januar versammeln sich Tausende Bolivianerinnen und Bolivianer beim Acullico-Tag. Sie singen, tanzen - und kauen gemeinsam Koka. Für die indigenen Völker des Andenstaats sind die kleinen grünen Blätter heilig, doch international gilt Koka nach wie vor als Betäubungsmittel. Denn aus den Blättern wird das teuerste Rauschgift der Welt gewonnen: Kokain.
"Wir kennen die Vorteile"
UN-Angaben zufolge ist Bolivien einer der größten Kokainproduzenten der Welt. Mit dem jährlichen Event versucht die Regierung, dem Stigma der Kokapflanze als Drogen-Rohstoff entgegenzuwirken: "Wir kennen die Vorteile und Tugenden dieses uralten Blattes", erklärte Präsident Luis Acre am Donnerstag bei der Hauptkundgebung in La Paz.
Kosmetik statt Kokain
Von Kaugummi bis Kosmetik: Aus Koka lässt sich sehr viel mehr herstellen als Drogen für die Märkte des Westens. Beim Acullico-Tag wird unter anderem Koka-Seife verkauft. Präsident Acre will die Verwendung der Blätter zur Herstellung von Gebäck, Marmelade, Shampoo, Likören und anderen Produkten fördern.
Kulturerbe Koka-Kauen
Das Kauen der unverarbeiteten Blätter hat eine lange Tradition: Seit über 3000 Jahren wird Koka in den Anden angebaut. 2016 erklärte die Regierung des damaligen Präsidenten Evo Morales - selbst ehemaliger Kokabauer - das Koka-Kauen per Gesetz zum "immateriellen Kulturerbe des Plurinationalen Staates Bolivien".
Grünes Gold
Nur vier Länder kultivieren den Kokastrauch: Bolivien, Ecuador, Kolumbien und Peru. Bis zu dreimal im Jahr werden die kleinen Blätter der robusten Pflanze geerntet und sind damit für Landwirtinnen und Landwirte eine lukrative und verlässliche Einnahmequelle. Doch bisher ist jeglicher internationaler Handel und Export von Koka verboten.
Gefragte Pflanze
Koka-Bäuerin Gladys Castro erntet Koka auf einem Feld in der Nähe von La Paz. Bolivien erlaubt den Anbau und Vertrieb von Kokablättern zum Kauen, für Tee und religiöse Rituale. Die Anbauflächen für den legalen Markt sind auf 22.200 Hektar beschränkt. Ein Teil der geernteten Kokablätter wird jedoch abgezweigt für die illegale Kokainproduktion.
Größter Drogenfund der bolivianischen Geschichte
Erst Anfang Januar meldete Bolivien den größten Kokainfund in der Geschichte des Landes: Drogenfahnder stellten in einem Lastwagen in den Anden 8,7 Tonnen des Rauschgifts sicher. Auch gegen den illegalen Anbau von Koka wird vorgegangen: Vergangenes Jahr wurden Regierungsangaben zufolge 10.000 Hektar illegaler Pflanzungen im Land vernichtet.
Koka-Cupcakes
Nicht nur hübsch, sondern auch gesund: Diese grünen Törtchen, die am Acullico-Tag gereicht werden, sind aus Kokamehl gebacken. Bereits 1975 bestätigte eine Studie der Harvard-Universität, was die Anden-Völker schon lange wussten: Wird es nicht zu Kokain verarbeitet, ist Koka extrem gesund. Es enthält sehr viel Eisen, Vitamin A, Ballaststoffe und mehr Kalzium als die meisten anderen Lebensmittel.
Koka gegen Kopfschmerzen
Auch medizinisch sind die Blätter vielseitig einsetzbar: Koka ist ein verlässliches Mittel gegen die Höhenkrankheit, kann Hunger und Müdigkeit dämpfen und Schmerzen lindern. Darauf hofft auch diese Frau, die sich während der diesjährigen Koka-Feierlichkeiten Blätterstücke gegen Kopfschmerzen aufs Gesicht gelegt hat.
Kommerzialisierung des Kokablatts
Die Entkriminalisierungskampagne hat auch ökonomische Gründe: Bolivien strebt die Industrialisierung der Pflanze an. Statt zur Drogenherstellung sollen die Blätter für legale Zwecke genutzt werden. 2022 gab die Regierung die Gründung des staatlichen Unternehmens Kokabol bekannt, das Kokablätter und andere Heilpflanzen zu Produkten wie Tee oder Zahnpasta verarbeiten soll.