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Politik

Bolsonaros Außenpolitik: Jenseits von Afrika?

Antonio Cascais
12. Januar 2019

Unter den Präsidenten Lula und Rousseff erlebten die Beziehungen zwischen Brasilien und Afrika einen Aufschwung. Vor allem die portugiesischsprachigen Länder Afrikas profitierten. Nun scheint die Stimmung zu kippen.

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Brasilien | Jair Bolsonaro
Bild: picture-alliance/dpa/ZUMAPRESS/Argencia Globo/J. William

Am 1. Januar 2019 wurde Brasiliens neuer Präsident Jair Bolsonaro feierlich ins Amt eingeführt. Auffällig wenig vertreten während der Zeremonie: politische Würdenträger aus Afrika. Amaral Lala, Professor für internationale Politik an der Universität Luanda, glaubt die Gründe dafür zu kennen: "Polemische Äußerungen Bolsonaros während des Wahlkampfs haben in Afrika für Empörung gesorgt. Vielleicht sind deshalb so wenige politische Vertreter aus Afrika nach Brasilia gereist."

Immerhin: Sein eigenes Heimatland, Angola, sei in der brasilianischen Hauptstadt von Außenminister Manuel Augusto repräsentiert worden. Dies zeige zwar, dass Brasilien nach wie vor Interesse daran habe, gute Beziehungen zu Angola zu pflegen, glaubt Politikwissenschaftler Lala. Dennoch: "So manche Aussagen des neuen brasilianischen Präsidenten in Bezug auf Afrika bedürfen einer Klärung."

Rassimus in Brasiliens Wahlkampf

Schon im Wahlkampf wurde Bolsonaro und seinen Mitstreitern wiederholt Stimmungsmache gegen Afrika und Brasilianer mit afrikanischen Wurzeln vorgeworfen. Im Wahlkampf hatte Bolsonaro etwa behauptet, die Afrikaner seien selbst schuld am Sklavenhandel, denn es seien vor allem die Afrikaner selbst gewesen, die "die Sklaven gefangen und den Händlern übergeben" hätten. Auch der neue Vizepräsident Antônio Hamilton Mourão sah sich Rassismusvorwürfen ausgesetzt, nachdem er Afrikaner öffentlich als "Mulambada" bezeichnet hatte - ein abwertender Begriff, der für Schwarze verwendet wird, die der Gesellschaft keine Vorteile bringen.

Brasilien Lula in Afrika
Lula da Silva pflegte besonders enge Beziehungen zu Afrika - hier 2010 bei einem Besuch in Tansania Bild: Ricardo Stuckert

"Rassismus ist wahrscheinlich nicht das Hauptmotiv Bolsonaros und seiner Mannschaft", sagt Calton Cadeado im DW-Gespräch. Der Politikwissenschaftler aus Mosambik ist sich sicher, dass wohl eher eine Art "Brasil First-Strategie" dahinter stecke. "Bolsonaro ist Trump nicht unähnlich: Er schaut vor allem auf Brasilien und erst danach eventuell auf Nordamerika oder Westeuropa." Für Afrika sei da kein Platz. Ganz anders sei es bei Lula da Silva gewesen, der in seiner Amtszeit als Präsident zwischen 2003 und 2010 29 afrikanische Länder besucht habe, so Cadeado.

Bolsonaros Wende in der Außenpolitik

"Alles deutet darauf hin, dass wir jetzt eine radikale Wende in der brasilianischen Außenpolitik erleben werden. Bolsonaros radikale ideologische Linie wird zum Vorschein kommen", vermutet auch Flávia Oliveira, Kolumnistin der Zeitung Globo, die sich selbst als "Afrobrasilianerin" bezeichnet. Schwerpunkt der brasilianischen Außenpolitik werde nicht mehr die Süd-Süd-Zusammenarbeit sein, wie sie von Lula und seiner Arbeiterpartei PT propagiert worden sei, sondern vielmehr die Annäherung an Länder wie USA oder Israel.

"Eine weitere Annäherung an Afrika wird es unter Bolsonaro nicht geben", lautet deshalb Oliveiras Prognose. Bereits unter Lula da Silvas Nachfolgerin, Dilma Rousseff, habe man in Brasilia eine deutliche Abnahme der Empathie in Bezug auf Afrika wahrnehmen können. Dieser Bedeutungsverlust Afrikas werde sich unter Bolsonaro deutlich verstärken, vor allem in Bezug auf den Handel.

Bereits seit einigen Jahren ist das Handelsvolumen zwischen Brasilien und Afrika rückläufig. Den Tiefpunkt der jüngeren Geschichte bildete das Jahr 2016. Damals brach laut Angaben des brasilianischen Ministeriums für Industrie, Außenhandel und Dienstleistungen (MDIC) der Import afrikanischer Produkte nach Brasilien um fast die Hälfte ein. Ein Hauptgrund dafür waren die fallenden Rohstoffpreise und der damit einhergehende Rückgang brasilianischer Ölimporte aus Nigeria.

Angola Skyline von Luanda mit Boulevard
Angola bleibt trotz der Rohstoffkrise ein wichtiger Partner für brasilianische InvestorenBild: Imago/Zumapress

Brasiliens afrikanisches Erbe

Entgegen des allgemeinen Trends blieben die Handelsbeziehungen Brasiliens mit Angola allerdings auch in den Krisenjahren relativ stabil. Das Handelsvolumen liegt seit Jahren konstant bei circa einer Milliarde US-Dollar pro Jahr. "Die wirtschaftliche Verquickung zwischen beiden Ländern ist sehr groß", sagt Augusto Báfuabáfua, politischer Analyst aus Angola, im DW-Interview. Angola sei und bleibe auch unter Bolsonaro ein Schwerpunktland für brasilianische Investoren. "Beide Länder haben in den letzten Jahren profunde Krisen und auch Korruptionsskandale erlebt. Trotzdem geht es aufwärts", so Báfuabáfua.

Für die Journalistin Flávia Oliveira verbindet Brasilien und Afrika mehr als nur wirtschaftliche Interessen. "Afrika ist allein schon wegen der Geschichte untrennbar mit Brasilien verbunden", sagt sie. Afrikanische Sklaven seien in Massen gegen ihren Willen nach Brasilien transportiert worden. Das heutige Brasilien sei zum Großteil das Ergebnis dieser Geschichte. "Dieses Erbe ist ein wichtiger Teil der Identität Brasiliens und der Brasilianer. Und daran kann auch ein Bolsonaro nichts ändern", so Oliveira.

Augusto Báfuabáfua aus Angola sieht das ähnlich: "Fast die Hälfte der Brasilianer haben afrikanische Vorfahren - aus Angola, Nigeria, Benin, Togo oder Mosambik. Hier geht es nicht bloß um Beziehungen zwischen Staaten, es geht nicht nur um Handel oder Geld. Es geht um Beziehungen zwischen Völkern und Individuen".