Bosch: Star im sächsischen Silicon Valley
7. Juni 2021Am Montag (7.6.2021) eröffnet Bosch seine neue Halbleiterfertigung nördlich von Dresden. Der Tech-Riese aus Baden-Württemberg hat eine Milliarde Euro in seine neue Produktionsstätte investiert - die größte Einzelinvestition in der 130-jährigen Firmengeschichte.
Der Bau begann im Sommer 2018 und nahm eine Fläche in Anspruch, auf der 14 Fußballfelder Platz finden könnten. Bereits im November letzten Jahres waren einige wichtige Teile der Fabrik fertig, die erstmals einen automatisierten Fertigungszyklus ermöglichten.
"Das Halbleiterwerk in Dresden ist Boschs erste AIoT-Fabrik", sagte dazu Unternehmenssprecherin Annett Fischer und erklärte gleich diesen neuen Fabrik-Typ: " AIoT - dieser Begriff steht für die Kombination von Künstlicher Intelligenz und dem Internet der Dinge. Damit schafft Bosch die Grundlage für eine datengesteuerte, kontinuierliche Verbesserung in der Produktion und setzt neue Maßstäbe beim Thema Industrie 4.0."
Chips für Autos
Wenn die Fabrik ihren vollen Betrieb aufnimmt - das ist für das Jahresende geplant - wird sie 700 Menschen einen Job bieten, die die Abläufe überwachen und kontrollieren sowie die Maschinen warten. Bis dahin müssen verschiedene Mikrochips und Prototypen integrierter Schaltkreise intensiv getestet werden, bevor sie ausgeliefert werden können.
"Basis dafür ist", hält Annett Fischer fest, "dass jede der rund 100 Maschinen und Anlagen im 10.000 Quadratmeter großen Reinraum elektronisch miteinander und mit der komplexen Gebäudeinfrastruktur über eine Datenzentrale vernetzt ist. 300 Kilometer Datenleitungen wurden dafür verlegt."
Bosch will sich traditionell auf die Herstellung von Mikrochips für die Automobilindustrie konzentrieren. Diese Branche hat jüngst einen dramatischen Mangel an Halbleiter-Mikrochips verkraften müssen, als die Coronakrise zu Unterbrechungen der internationalen Lieferketten geführt hatte.
"Silicon Saxony" - Sachsens Silicon Valley
Das Bosch-Investment trägt zum Ruf der Gegend um Dresden als eines von Europas herausragenden Zentren für Mikroelektronik bei. Seit langem ist schon vom "Silicon Saxony" - in Anlehnung an das noch viel größere Silicion Valley in Kalifornien - die Rede.
Silicon Saxony ist gleichzeitig auch der Name einer Interessenvertretung der Mikroelektronik- und Softwarebranche in Sachsen mit Sitz in Dresden, der Unternehmen, Forschungsinstitute und Universitäten angehören. Deren Geschäftsführer Frank Bösenberg sagte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, dass die Dresdener Halbleiterindustrie seit 2009 kontinuierlich gewachsen sei. In Sachsen arbeiteten 2300 Unternehmen mit ungefähr 60.000 Angestellten in dieser Branche. Sie hätten im vergangenen Jahr rund 16,5 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Noch mehr Geld nach Sachsen
Einige der "big player", die bereits in Dresden tätig sind, planen, noch deutlich mehr zu investieren und ihre Produktion hochzufahren, um die steigende Nachfrage nach Mikrochips befriedigen zu können. Der US-amerikanische Chip-Hersteller Globalfoundries, der die ehemalige AMD Sachsen in Dresden übernommen hat, hat angekündigt, 400 Millionen Euro in den Ausbau seiner Reinräume zu investieren. Gegenwärtig produziert die Firma 400.000 Mikrochips pro Jahr und hofft, diesen Ausstoß verdoppeln zu können.
Noch einmal 1,1 Milliarden Euro, verteilt über die nächsten fünf Jahre, will Infineon - ein Dax-Unternehmen aus München - in seine Dresdener Niederlassung stecken.
Darüber hinaus hofft Silicon Saxony, dass der Branchenriese Intel sich dem Dresdener Fimencluster anschließt. Die US-Amerikaner aus dem kalifornischen Silicon Valley sind auf der Suche nach einem geeigneten Standort in Europa, an dem sie mehrere Milliarden Dollar investieren wollen.
Hervorragend in Europa
"Wir sind - und das werde ich auch nicht müde zu wiederholen - Europas größter Halbleiterstandort", so Frank Bösenberg von Silicon Saxony gegenüber dem Rundfunksender MDR. "Diese Anhäufung von gleichartigen Akteuren hilft uns auch im globalen Wettbewerb."
Das Dresdener Mikroelektronik-Cluster ist tatsächlich fast einzigartig in Europa. Sein einziger Konkurrent innerhalb der EU ist wohl die Gegend um Grenoble in Frankreich mit einer vergleichbaren Konzentration von Chip-Produzenten, Tech-Unternehmen und Forschungszentren.
Auf dem richtigen Weg?
Zuletzt wurde immer wieder diskutiert, dass die Europäischen Union sich aus der Abhängigkeit von Mikrochip-Lieferungen aus den USA und aus Asien befreien möchte. Brüssel sei willens, europäische Produktionsstätten mit Milliarden-Subventionen zu unterstützen.
Jan-Peter Kleinhans vom Thinktank Stiftung Neue Verantwortung (SNV) in Berlin sagte der DW, Europas Politiker glaubten, dass der Bau neuer Fabriken in Europa ein für alle Mal das Problem unzuverlässiger Lieferketten lösen würde und die Union unabhängiger machte von Chip-Produzenten auf anderen Kontinenten.
Als Beispiel dafür, dass das so einfach nicht geht, nennt er TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company) an. Sogar der taiwanesische Halbleiterhersteller könnte "die Chips nicht komplett alleine herstellen und ist angewiesen auf ein riesiges Netzwerk an Zulieferern. Es braucht Produktionsausrüstung aus den USA und Japan, Chemikalien aus Südkorea, Japan und anderen Ländern und Silizium aus dem Ausland - es wäre also naiv zu meinen, man könne hier in Europa völlig autark werden, nur weil man mehr Fabriken baut."
Kleinhans betonte, er wolle die Bedeutung von Silicon Saxony und im Besonderen auch das Engagement von Bosch überhaupt nicht kleinreden, aber er warnte, dass Europa in anderen Bereichen der Mikroelektronik weiter zurückfalle - zum Beispiel bei Herstellungsprozessen oder dem Chip-Design. Dort, so Kleinhans, hätten "wir den Anschluss verloren und können den USA und Asien nicht mehr das Wasser reichen. Das gilt zum Beispiel für die Prozessoren, die in Smartphones, Laptops oder Cloud-Rechenzentren benutzt werden - die kommen fast geschlossen nicht aus Europa."
Dieser Artikel wurde aus dem Englischen übersetzt