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Bosnien-Herzegowina

30. April 2009

Die Europaabgeordnete Doris Pack hat Sarajewo besucht und nicht mit Kritik am Reformstau in der Justiz gespart. Auch die übrigen Reformprozesse in Bosnien würden sich auf unzulässige Weise verzögern, monierte Pack.

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Doris Pack, EU-Abgeordnete der Europäischen Volksparteien (EVP)Bild: Europäisches Parlament

Nach einem Treffen mit Vertretern der bosnisch-herzegowinischen Justiz sagte Doris Pack, Reformen im Justizsektor seien die Grundvoraussetzung für den Fortschritt des Landes bei der europäischen Integration. Die bosnischen Justizvertreter hätten vorgeschlagen, dass ein gesamtstaatlicher Gerichtshof von Bosnien-Herzegowina eingerichtet werden sollte. Damit werde eine übergeordnete, rechtsverbindliche Instanz für beide Entitäten geschaffen, die die derzeit herrschenden Zuständigkeitsprobleme zwischen den Gerichtsbarkeiten lösen würde, sagte die für Südosteuropa zuständige Europaabgeordnete. Bosnien und Herzegowina brauche eine starke, unabhängige und multiethnische Justiz.

Effizienzprobleme

Das Hauptaugenmerk sei auf die Strategie der Justizreform in Bosnien und den weiteren Umgang mit Kriegsverbrecher-Prozessen gerichtet, sagte der Präsident des Aufsichtsorgans für die Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaft in Bosnien und Herzegowina, Milorad Novkovic. Im Rahmen der Justizreform sei eine Unabhängigkeit, Objektivität und Professionalität der Gerichtsbarkeit erreicht worden. Allerdings arbeite die Justiz noch nicht effizient genug. „Unsere Hauptaufgabe ist es, die Leistungsfähigkeit des Gerichtssystems zu verbessern“, so Novkovic.

Die Präsidentin des gesamtstaatlichen Strafgerichtshofs, Medzida Kreso, informierte Doris Pack über die Schwierigkeiten, mit denen der Gerichtshof zu kämpfen habe. Insbesondere wies sie dabei auf Finanzprobleme hin. Kreso forderte ferner, dass nicht nur das Aufsichtsorgan für die Justiz, sondern auch der Strafgerichtshof und die Staatsanwaltschaft in die Verfassung aufgenommen werden sollten.

Doris Pack wies darauf hin, Ende dieses Jahres liefen die Mandate ab für die internationalen Richter am Strafgerichtshof, der sich überwiegend mit Kriegsverbrecherprozessen beschäftigt. Neue Richter müssten rechtszeitig gewählt werden, seien es inländische oder ausländische.

Kompetenz statt Parität

Die Europaabgeordnete erinnerte ferner daran, nach dem Rücktritt des Direktors der staatlichen Direktion für europäische Integration sei immer noch kein Nachfolger ernannt worden. Pack stellte in diesem Zusammenhang die Frage: „Wie können Sie erwarten, dass die EU mit Bosnien und Herzegowina spricht, wenn es keinen Vertreter gibt, mit dem die EU sprechen kann?“ Sie fügte hinzu, dies sei nicht der einzige Fall. Ähnliche Probleme gebe es auch bei der Ernennung der Leitungen der Verwaltung für indirekte Besteuerung und der Regulierungsbehörde für Kommunikation. Bald werde auch der Posten des Gouverneurs der Zentralbank wieder frei. „Ich glaube, die Regierung und die Politiker sollten kompetente Leute für diese Ämter ernennen und nicht Personen paritätisch nach nationalem Prinzip wählen.

Verzögerungen bei Visa-Politik

Die Europaparlamentarierin kritisierte auch Verzögerungen bei der Erfüllung der Voraussetzungen für Visa-Erleichterungen im Reiseverkehr zwischen Bosnien-Herzegowina und der EU. Sie sagte, sie bedauere die Bürger von Bosnien und Herzegowina. Denn im Gegensatz zu ihnen hätten die Politiker keine Visa-Probleme. „Bosnien und Herzegowina hat eine Road Map. Aber wie ich erfahren habe, blockiert die Republika Srpska die für ein Visa-Erleichterung erforderlichen Gesetze“, betonte Pack.

Doris Pack betonte, dass die Politiker in Bosnien-Herzegowina noch in vielen Fragen zu einem Konsens gelangen müssten, damit das Land der EU beitreten könne. Kompromiss sei aber ein Wort, das in Bosnien negativ aufgefasst werde. Die EU funktioniere jedoch eben auf der Grundlage von Kompromissen, sagte Pack.

Autor: Samir Huseinovic / Mirjana Dikic

Redaktion: Bernd Johann