Bosnien Rechtsextremismus
25. November 2011In Bosnien gibt es verschiedene Gruppierungen, deren Ideologie sich gegen Andersdenkende und Andersgläubige richtet. Nicht selten sind Anhänger ultranationalistischer und rechtsradikaler Ideen in politischen Parteien aktiv – und dort einflussreich: So gibt es bis heute in Bosnien kein Gesetz gegen eine Leugnung des Holocausts oder des Völkermords. Für Salih Foco, Professor an der Uni in Sarajevo, ist das ein Beispiel für die enge Verbindung zwischen Politikern und Rechtsextremen in der Serbenrepublik.
Die politischen Kräfte in Bosnien schüren laut Foco eher Konflikte zwischen den dort lebenden Ethnien. So beriefe sich gerne die Führung der Serbenrepublik auf Dayton. Das Friedensabkommen von 1995 beendete den Krieg zwischen den verfeindeten Kriegsparteien, den Bosniaken (bosnische Muslime), Kroaten und Serben. Als Kompromiss wurde das Land in zwei Teilstaaten, die sogenannten Entitäten, geteilt, die praktisch eigenstaatlich sind. So entstand die von Bosniaken und Kroaten dominierte Föderation Bosnien und Herzegowina sowie die mehrheitlich von Serben bewohnte Republika Srpska. Die politische Führung der Serbenrepublik benutze rechtsextreme Gruppierungen, um die Rückkehr der im Krieg geflohenen, zumeist bosniakischen Flüchtlinge zu verhindern. Damit würden sie auch vermeiden, dass die Ethnien in Bosnien wieder dort siedelten, wo sie auch vor dem Krieg gewohnt hätten, behauptet Foco.
Importiertes Problem
Foco glaubt, dass der Rechtsextremismus aus der Region und aus den arabischen Ländern nach Bosnien eingeführt wurde. Er nennt vor allem die Tschetnik-Bewegung aus Serbien und die Ustascha-Bewegung aus Kroatien sowie die Wahhabiten aus dem arabischen Raum. "Der Krieg und die wirtschaftliche Krise haben das Land anfällig für Manipulationen gemacht. Extremistische Gruppen, die hier wirken, möchten Europa destabilisieren und die Normalisierung der Lage in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien verhindern", meint Foco.
Mustafa Karahmet, Journalist aus Sarajevo, warnt ebenfalls vor dem Extremismus der Wahhabiten in Bosnien. Deren radikale Doktrin richte sich auch gegen Muslime als Religionsgemeinschaft, die sie auf den "rechten Weg" zurückbringen möchten. Karahmet erinnerte auch an die jüngsten Anschläge auf eine Polizeistation in Bugojno und auf die US-Botschaft, die der rechtsextremen Szene zugeschrieben werden, sowie an den Angriff auf die Veranstalter des Queer-Festivals, ein Treffen von Lesben und Schwulen in Sarajevo.
Extremismus schafft neuen Extremismus
Der Rechtsextremismus beeinflusse die liberal-demokratischen Kräfte auf dem West-Balkan negativ, sagt im Interview mit DW-WORLD.DE Ivo Goldstein von der Philosophischen Fakultät in Zagreb: "Dieser Extremismus zerstört durch seinen Hass und seine Missachtung anderer Religionen und Ethnien das gesellschaftliche Geflecht des betroffenen Staates. Zugleich wird die Normalisierung der Beziehungen zu den Nachbarländern erschwert."
Darüber bilde der Extremismus den Nährboden für neue extremistische Gruppierungen. Dies sei charakteristisch für die meisten Länder im Westbalkan, so Goldstein. Er warnt davor, dass der Extremismus in Bosnien die Ethnien und Religionsgemeinschaften durchsetze und eine Atmosphäre schaffe, in der kein Raum bleibe für Selbsterkenntnis und Vergangenheitsbewältigung. Dies führe "dann zu einer vertrackten Situation, in der keine Seite mehr nachgeben will".
Autor: Samir Huseinovic / Mirjana Dikic
Redaktion: Robert Schwartz