Revision gegen Völkermordurteil
18. Februar 2017Im Staatspräsidium von Bosnien-Herzegowina sind die drei Volksgruppen des Landes durch je einen Repräsentanten vertreten. Bakir Izetbegovic spricht für die muslimischen Bosnier, die beiden anderen Mitglieder des Staatspräsidiums sind der Serbe Mladen Ivanic und der Kroate Dragan Covic.
Klage kurz vor Fristende
Izetbegovic plant jetzt offenbar einen Alleingang. Er kündigte in Sarajewo an, Bosnien-Herzegowina werde kommende Woche Revision gegen ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) von 2007 einlegen. Damals hatte die höchste Justizinstanz der Vereinten Nationen Serbien von dem Vorwurf freigesprochen, es sei direkt in Morde, Vergewaltigungen und "ethnische Säuberungen" im Bürgerkrieg von 1992 bis 1995 verwickelt gewesen. Das Gericht hatte allerdings festgestellt, dass Serbien nichts zur Verhinderung des Genozids in Bosnien unternommen habe. Der IGH hatte damals zudem entschieden, dass ein Völkermord nur in Srebrenica stattgefunden hatte, wo rund 8000 muslimische Jungen und Männer von bosnisch-serbischen Kämpfern getötet wurden.
Der Einspruch gegen das Urteil von damals solle beweisen, dass Völkermord in Bosnien während des Bürgerkrieges weit verbreitet gewesen sei und sich nicht auf eine Region beschränken lasse, sagte Izetbegovic. "Wir werden neue Beweise vorlegen", fügte er hinzu. "Wir sind an der Wahrheit interessiert, und der Versöhnungsprozess basiert auf der Wahrheit."
Der muslimische Politiker hat nach eigenen Angaben ohne die Zustimmung seiner beiden Kollegen im Staatspräsidium einen Anwalt engagiert, der den Revisionsantrag vorbereiten soll. Die Einspruchsfrist läuft zehn Jahre nach dem Urteil am 26. Februar ab.
Bosnien vor Staatskrise?
Die beiden anderen Mitglieder des Staatspräsidiums, Ivanic und Covic, erklärten hingegen, Izetbegovic sei nicht befugt, ohne ihre Zustimmung Klage einzureichen. Für ein solches Vorgehen sei ein Konsens im Staatspräsidium erforderlich. Sie warnten davor, dass ein solcher Schritt zu einer politischen Krise im Land führen könnte.
Die Regierung des benachbarten Serbien, das im Bosnienkrieg die bosnischen Serben finanziell und logistisch unterstützte, warnte davor, dass ein Einspruch gegen das Urteil die beiderseitigen Beziehungen belasten könnte. Serbiens Regierung gestand 2010 zwar ein, dass in Srebrenica ein "schlimmes Verbrechen" begangen wurde, das verurteilt werden müsse. Belgrad weigert sich jedoch, das Verbrechen an den Muslimen als Genozid anzuerkennen.
Im Juli 1995 hatten bosnisch-serbische Einheiten die damalige UN-Schutzzone Srebrenica überrannt und gezielt rund 8000 Muslime, die meisten von ihnen Jungen und Männer, ermordet. Es war das größte Massaker in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Der ehemalige bosnische Serbenführer Radovan Karadzic und sein einstiger Militärchef Ratko Mladic gelten als Hauptverantwortliche für den Genozid.
qu/ml (dpa, rtre, afpe, APE)