Bosnische Roma: Neue Häuser, gemischte Gefühle
Auf einer ehemaligen Mülldeponie im bosnischen Ort Kakanj werden Mehrfamilienhäuser für Roma gebaut. Ein EU-finanziertes Projekt macht es möglich. Doch nicht alle sind davon begeistert, ihre Hütten zu verlassen.
Großer Tag in Kakanj
Lässig und stolz hat dieser Bewohner von Kakanj die bosnische Fahne fest im Griff. Im Rahmen des EU-Projekts "Roma Action II" wird ein neues Mehrfamilienhaus eingeweiht. Es ist das zweite von zehn Neubauten für insgesamt 68 Roma-Familien in der Gemeinde nördlich von Sarajewo: Wohnraum für Menschen, die bisher in schlecht befestigten Hütten lebten.
Neubaugebiet statt Mülldeponie
Wo heute die ansehnlichen neuen Häuser und ein großzügiger Spielplatz angelegt sind, war bis vor wenigen Monaten noch eine Mülldeponie. Hier lebten die Roma-Familien, die nun nach und nach in die neuen Häuser umziehen sollen. 300 Tonnen giftiger Müll wurden dafür beseitigt. Er wird dafür verantwortlich gemacht, dass viele Roma- Kinder hier unter schweren Sehschwächen oder gar Blindheit leiden.
Geduldiges Warten
Die Ramics (vorne in der Mitte, mit Baby) sind eine der acht Familien, die eine neue Wohnung beziehen. Sieben Monate liegen zwischen dem Abriss ihrer früheren Hütte und dem Neubezug. Dazwischen war die achtköpfige Familie bei einem Verwandten untergekommen, in einer Hütte in der Nähe, ohne fließendes Wasser und ohne Strom, wie die meisten ihrer Nachbarn.
Hoffen auf einen Neuanfang
Nermin Mandra, Bürgermeister der Gemeinde Kakanj, überreicht Familienvater Smail Ramic den Mietvertrag und die Schlüssel für die neue Dreizimmerwohnung. Ein Luxus für die achtköpfige Familie im Vergleich zur früheren Hütte. Doch mit der Hütte und der Mülldeponie ist auch die Einkommensquelle weg: Bisher hatte Smail Ramic seine Familie durch Müllsortieren und Müllsammeln ernährt.
Noch etwas ratlos in den eigenen vier Wänden
Nach der großen Einweihungszeremonie wollen sie ihre Schlafdecken holen, mehr haben sie nicht. Für die leeren Räume fehlen noch sämtliche Möbel. In der Wohnung werden Mutter Dula Smaka und Vater Smail Ramic mit fünf ihrer Kinder leben sowie mit dem Säugling der 18-jährigen Tochter. Kein Familienmitglied hat einen Arbeitsplatz, in der Schule war keiner länger als drei Jahre.
Moderne Wohnhäuser
Kakanj ist eine von neun Gemeinden in Bosnien-Herzegowina, in denen im Rahmen des Projekts "Roma Action II" Häuser mit insgesamt 140 Wohnungen gebaut werden. 2,5 Millionen Euro kommen dafür insgesamt von der EU, 327.000 Euro von den jeweiligen Gemeinden. Der Wohnungsbau ist erst der Anfang: Bürgermeister Mandra plant auch ein Kulturzentrum und Stipendien für Roma-Kinder.
Die Hütten und Schuppen sind bald weg
Doch nicht alle sind glücklich über die neuen Wohnhäuser. Es gibt auch Widerstand. Denn für die Neubauten müssen die alten Behausungen abgerissen werden. Die nächste Bauphase ist schon geplant. Die Bewohner dieser Hütten sollen bald weichen. Ihnen wird dann eine der neuen Wohnungen angeboten - aus Sicht der Betroffenen nicht immer ein guter Tausch.
Oma Sejdic will nicht weichen
50 Jahre hat Vahida Sejdic in der Nähe von Stuttgart gelebt und gearbeitet. Jetzt ist sie mit 65 nach Kakanj zurückgekehrt und hat das Zwei-Zimmer-Haus bezogen, das ihr Vater einst gebaut hatte. Hier kann sie mit ihrer Rente von 680 Euro für bosnische Verhältnisse gut leben. Warum sie in eine Neubauwohnung ziehen soll, sieht sie nicht ein. Aber auch hier werden die Bagger bald anrücken.