Albert Schweitzer: der Vater der Umweltbewegung
2. Januar 2010"Als ich das Film-Set in Port St. Johns betrat, fühlte ich mich wie in einer Zeitmaschine, 50 Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt. Das Dorf entsprach zu hundert Prozent dem Original - Lambarene in Gabun," schwärmt Harold Robles, einer der Zeitzeugen, der als Arzt in den 60er Jahren noch mit Dr. Schweitzer persönlich zusammen gearbeitet hatte und zu den Dreharbeiten eingeladen war. Als Vorlage konnte sich das Produktionsteam auf eine Kino-Dokumentation aus dem Jahr 1957 stützen: Vier Jahre lang hatte Kamerafrau Erica Anderson den "Urwalddoktor" bei seiner Arbeit in Lambarene beobachtet. 30 Zimmerleute, 60 Handwerker waren dann 2009 zur Vorbereitung der Dreharbeiten nötig, um das afrikanische Dorf detailgetreu nachzubauen. Wochenlang rodete die Crew dafür den Urwald. Ausstatter Tom Hannam ließ Hunderte von Bäumen und Büschen anpflanzen und sogar Palmen einfliegen, damit das Setting stimmte.
Historischer Dokumentarfilm als Vorlage
Auch das Arbeitszimmer von Schweitzer wurde originalgetreu kopiert, bis zu seiner Gewohnheit, Papiere mit Haken an den Wänden aufzuhängen, damit die Ameisen sie nicht auffraßen. Hauptdarsteller Jeroen Krabbè, der Albert Schweitzer mit starker Präsenz und leidenschaftlichem Enthusiasmus verkörpert, fühlte sich ebenfalls an den historischen Ort des Geschehens versetzt: "Ich konnte die Filmdokumente nutzen und genau studieren, wie sich Schweitzer bewegte, wie er schrieb, wie er Orgel spielte. Eines Tages merkte ich, wie sehr ich mich in die Rolle eingelebt hatte: Genau wie Schweitzer tat ich eine Sache und dachte gleichzeitig an fünf andere, die ich noch erledigen musste." Krabbè, der neben seiner Schauspielerei auch als bildender Künstler arbeitet, hat unter anderem mit großen historischen Rollen internationale Karriere gemacht – für Regisseur Gavin Miller war er die Idealbesetzung. Gedreht wurde der Film ausschließlich in Südafrika – in nur knapp zwei Monaten. "Die Arbeitsmoral am Set war sehr hoch, sehr effizient und zugleich sehr gelassen," berichtet Schauspieler Samuel West.
Kein Biopic, sondern ein politischer Film
Zwei Schauplätze stehen im Mittelpunkt des Kinofilms: das New York der frühen 50er Jahre und das Dschungeldorf im afrikanischen Gabun, in dem der Elsässer Arzt sein später weltberühmtes Hospital aufbaut. Das Drehbuch unternimmt zum Glück gar nicht erst den Versuch, das gesamte Leben des Philosophen, Musikwissenschaftlers, Orgelspielers, Theologen und Mediziners Albert Schweitzer in ein kleinteiliges Kino-Puzzle zu pressen. Daran sind die derzeit so beliebten "Biopics", von "Marlene" über "Hilde" bis zu "Romy" leider oft gescheitert. Gavin Millar, seit 30 Jahren einer der renommiertesten britischen Regisseure, konzentriert sich klugerweise auf wenige, aber entscheidende Jahre im Leben des berühmten Wissenschaftlers: die Zeit 1949 bis 1954 - dem Jahr, in dem er den Friedensnobelpreis für sein Lebenswerk entgegennahm.
Rückblenden in die Zeit vor dem 1.Weltkrieg
Eingestimmt wird der Zuschauer mit einem frühmorgendlichen Kameraflug über den Ogowe-Fluß, den Kamerafrau Cinders Forshaw zartpoetisch in Szene gesetzt hat. Doch die Idylle wird durch harte politische Fakten gestört: "1949 - das Wettrüsten der Supermächte hat begonnen. Der Kalte Krieg verhärtet die Fronten zwischen Ost und West". Rückblende in das Jahr 1913: In Lambarene versucht Dr. Albert Schweitzer - Arzt und Theologe aus dem elsässischen Straßburg und leidenschaftlicher Orgelspieler - ein Hospital für die Eingeborenen aufzubauen. Es fehlt an allem: Betten, Krankenschwestern, Medikamente, Verbandszeug. Seine junge Frau Helene hilft ihrem Mann, wo sie kann - selbstlos und bis zur Erschöpfung.
Im Visier des CIA
"Ehrfurcht vor dem Leben" , das wird ihm ein Leben lang Auftrag und ethischer Grundsatz bleiben. Doch auf einer Vortragsreise in die USA, bei der er Spenden für sein Urwaldhospital sammeln will, geraten seine Überzeugungen ins Wanken. Sein Freund Albert Einstein – von dem deutschen Schauspieler Armin Rohde fast schon karikierend und maskenhaft wie ein trauriger Clown gespielt - bittet ihn im Namen seiner Wissenschaftskollegen um Unterstützung im Kampf gegen die Atombombengefahr. Aber Schweitzer zögert – und wird Opfer einer gezielten Verleumdung. Man verdächtigt ihn antiamerikanischer Propaganda und kommunistischer Umtriebe. Die CIA lässt ihn überwachen und schleust einen jungen Agenten in sein privates Umfeld ein. Sein Lebenswerk ist gefährdet: Die Regierung in Gabun droht mit der Schließung seines Hospitals, doch Schweitzer kann alles mit charismatischer Kraft abwenden - unterstützt von seinen Kollegen und den Patienten.
International renommierte Schauspieler am Set
Regisseur Millar hat seine Hauptdarsteller erstklassig besetzt: An der Seite von Jeroen Krabbè spielt Hollywoodschauspielerin Barbara Hershey, nominiert für den Oscar und den Golden Globe und ausgezeichnet mit der Goldenen Palme von Cannes als beste Schauspielerin, mit ungekünstelter Intensität die sich aufopfernde Helene Schweitzer. Samuel West, Oxford-Absolvent und Ensemble-Mitglied der britischen Royal Shakespeare Company und durch Literaturverfilmungen bekannt geworden, gibt dem CIA-Agenten Phil Figgis ein kalt berechnendes Profil. Judith Godreche, in Frankreich als beste Nachwuchsdarstellerin für zwei Césars nominiert, lässt die junge Fotografin Therèse Bourdin kapriziös und mit charmantem Scharfsinn der CIA-Überwachung auf die Spur kommen.
Ein Film für junge Leute
Der Film ist interessant und spannungsreich inszeniert. Und er zieht den Zuschauer schnell in den Bann dieser Lebensgeschichte, die auch ein Kapitel der politischen Geschichte des 20. Jahrhunderts aufblättert. "Schweitzer war so berühmt und beliebt wie Nelson Mandela – bekannt in aller Welt als großer Humanist und Philosoph. Heute kennt man ihn kaum noch", was Regisseur Gavin Millar ändern möchte.
Autorin: Heike Mund
Redaktion: Günther Birkenstock