Brüssel ruft Wahlsieger im Kosovo zur Mäßigung auf
22. November 2007Drei Wochen vor Ablauf der UN-Verhandlungsfrist für das Kosovo-Gebiet haben die EU-Staaten noch keine einstimmige Antwort auf die Frage gefunden, ob sie einen möglichen Staat Kosovo anerkennen wollen oder nicht. Die Mehrheit der 27 Mitgliedsstaaten ist dafür, Kosovo anzuerkennen, wenn die Kosovo-Albaner nach dem 10. Dezember einen Staat ausrufen sollten, aber eine Minderheit von EU-Staaten sei noch dagegen, sagte Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier beim Treffen der EU-Außen- und Verteidigungsminister in Brüssel: "Die Anrainer, unmittelbar um den Balkan herum, sind in vielen Punkten kritischer als diejenigen, die weiter weg sind. Es sind die kritischer, die über Minderheiten im eigenen Land verfügen. Ich glaube dennoch, dass uns eine einigermaßen gemeinsame Position gelingen wird."
Weiche Landung statt großem Knall
Frank Walter Steinmeier, der schwedische Außenminister Carl Bildt und einige andere Minister warnten den Wahlsieger im Kosovo, Hashim Thaci, davor, einseitig einen eigenen Staat auszurufen. Bildt sagte, Kosovo würde dadurch völlig isoliert von der internationalen Gemeinschaft. Man brauche in der zerbrechlichen Balkanregion eine weiche Landung, keinen großen Knall. "Kosovo ist de facto schon unabhängig von Serbien. Ich denke nicht, dass Kosovo auch von der internationalen Gemeinschaft unabhängig sein will. Sie wollen geschützt werden von der NATO und unterstützt werden von der Europäischen Union in jeder Hinsicht", so Bildt. Er riet Thaci, das Kosovo nicht von der internationalen Gemeinschaft abzukoppeln und fügte hinzu: "Ich empfehle ihm, sich um die Einheit des Kosovo und diejenigen zu kümmern, die nicht zu den Wahlen gegangen sind."
Der deutsche Außenminister Steinmeier appellierte an den vermutlich neuen Ministerpräsidenten Hashim Thaci, mäßigend auf die Kosovo-Albaner einzuwirken: "Das alles kann nicht gelingen, wenn nicht auch die Autoritäten im Kosovo die eigene Bevölkerung dazu aufrufen, Ruhe zu bewahren und keine Drucksituation über Ereignisse auf den Straßen herbeizuführen. Das hat die vergangene kosovarische Regierung mit Erfolg getan. Ich gehe davon aus, dass sich auch eine Regierung Thaci in gleicher Weise verhalten wird."
NATO-Einsatz wird fortgesetzt
Die Vereinten Nationen verwalten Kosovo seit 1999. Etwa 17.000 Soldaten der NATO-geführten Kosovotruppe sorgen für Sicherheit. Dieses Engagement soll auch nach dem 10. Dezember und auch nach einer möglichen staatlichen Unabhängigkeit fortgesetzt werden, sagte der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung in Brüssel. "Wir werden auch weiterhin unseren Beitrag leisten im Rahmen dieser Nato-geführten Mission. Sie wissen, wir stellen dort den größten Truppenteil. Wir haben jetzt auch noch ein Reserve-Bataillon im Kosovo, um dazu beizutragen, dass es Stabilität und friedliche Entwicklung auch in Zukunft im Kosovo gibt."
Asselborn: Perspektiven erforderlich
Zu Berichten, in der Region würden sich Milizengruppen bilden und gewaltbereite Serben könnten für Unruhen im Kosovo sorgen wollen, sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn: "Dann wäre das Friedensprojekt Europa gescheitert, wenn so etwas geschehen würde. Ich kann mir das nicht vorstellen. Ich glaube, dass die Serben, die acht Millionen Menschen, sich entscheiden für den Westen, für die Zukunft, für eine Integration in Europa, nicht für Waffen." Jean Asselborn warnte davor, das Kosovo-Problem nur auf die Statusfrage zu reduzieren. Es gehe darum, den vielen jungen Menschen im Kosovo, die überwiegend arbeitslos seien, eine Perspektive für Bildung und wirtschaftlichen Aufstieg zu bieten.
Die EU bietet sowohl Serbien als auch Kosovo langfristig die Mitgliedschaft an. Spätestens am 10. Dezember, wenn sich die Außenminister wieder treffen, müssen sie eine einstimmige Haltung zu einem möglichen Staat Kosovo erreichen. Den größten Widerstand gegen eine Anerkennung durch die EU leisten Zypern und Griechenland.
Bernd Riegert