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Braindrain? Braingain!

Klaus Dahmann4. Mai 2012

Kluge Köpfe finden fast immer Arbeit. Wenn es in der Heimat nicht klappt oder die Jobs dort schlecht bezahlt sind, wandern sie aus. Damit arme Länder nicht den Schaden tragen, gibt es die Idee der zirkulären Migration.

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Afrikanischer Arzt betrachtet ein Röntgenbild (Foto: Fotolia/goodluz)
Bild: Fotolia/goodluz

Für Entwicklungsländer ist die Abwanderung hochqualifizierter junger Menschen ein großes Problem. Die Weltbank schätzt, dass zum Beispiel Afrika durch den Braindrain rund 23.000 Akademiker pro Jahr verliert. Kanadische Forscher haben vorgerechnet, dass die Länder südlich der Sahara allein durch die Auswanderung von Ärzten jährlich ein Minus von rund zwei Milliarden Dollar verbuchen, die sie zuvor in ihre Ausbildung investiert haben.

Natürlich stimmt die Rechnung nicht ganz. So kommt ein Teil des Geldes, das die Migranten im Ausland verdienen, als private Unterstützung für ihre Familien und Freunde in die Heimat zurück. Und wenn man bedenkt, dass diese Rücküberweisungen schätzungsweise doppelt so viel ausmachen wie die Entwicklungshilfe aller Industrieländer zusammen genommen, ist das schon eine stattliche Summe.

Zirkuläre Migration – aber wie?

Außerdem kehrt ein Teil der hochqualifizierten Migranten nach einigen Jahren wieder in die Heimat zurück, um dort zu arbeiten oder gar im Ausland verdientes Geld zu investieren. Das nennt sich dann "zirkuläre Migration". Und genau hier setzen moderne Anti-Braindrain-Strategien an.

In einer Deutschstunde im Rahmen eines Trainings für ausländische Langzeitsarbeitslose des Türkischen Bundes Berlin studiert eine farbige Kursteilnehmerin ihr Unterrichtsbuch (Foto: ZB / Fotoreport)
Deutschkenntnisse sind eine Grundvoraussetzung für viele ZuwanderungswilligeBild: ZB - Fotoreport

Einer, der solche Strategien ausarbeitet, ist Stefan Angenendt von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Er beobachtet seit einigen Jahren den Trend, dass immer weniger Migranten dauerhaft einwandern. Immer mehr junge Menschen gehen nach einer bestimmten Zeit wieder in ihr Heimatland zurück oder pendeln in regelmäßigen Abständen zwischen ihrem Heimatland und Deutschland hin und her. "Das liegt an den verbesserten Wanderungsmöglichkeiten", erklärt Angenendt. "Es gibt preiswertere Reisemöglichkeiten. Netzwerke haben sich gebildet, durch die die befristete Auswanderung leichter fällt, weil man Leute im Aufnahmeland schon vorher kennt."

Die Regelungen für einwanderungswillige Hochqualifizierte in Deutschland und anderen Ländern sind allerdings sehr rigide. Man müsse zum Beispiel den Zeitpunkt für die Rückwanderung flexibler handhaben, fordert Angenendt. Außerdem bräuchten Rückkehrwillige mehr Unterstützung als bisher: bessere Beratung und bessere Hilfsprogramme, um sich in ihrer Heimat eine neue Existenz aufzubauen.

"Triple Win"-Effekt

Ziel zirkulärer Migration ist stets ein "dreifacher Gewinn", sagt Gunilla Finke, Geschäftsführerin des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Im Idealfall sieht das so aus: Der Migrant profitiert, weil er in Deutschland möglicherweise mehr Geld verdient als in seiner Heimat und weil er sich weiter qualifiziert. Deutschland profitiert, weil der Migrant genau die Qualifikationen mitbringt, die hier gebraucht werden. Und schließlich profitiert das Herkunftsland, weil der Migrant ja nach einer bestimmten Zeit mit besseren Qualifikationen und mehr Berufserfahrung zurückkehrt.

Dr. Gunilla Fincke vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) - Foto: David Ausserhofer 2012
Migrationsexperten wie Gunilla Finke fordern mehr Unterstützung für "zirkuläre Migration"Bild: David Ausserhofer

Das Ganze hat nur einen Schwachpunkt: Bisher kennt noch keiner ein Rezept, wie man diese "Triple Win"-Migration gezielt ankurbeln kann.

Viele Ideen, kein Patentrezept

Stattdessen gibt es ein ebenso buntes wie unübersichtliches Mosaik von Programmen, die ganz unterschiedliche Ansätze aufzeigen. Das beginnt schon bei der Ausbildungsförderung: Manche Länder vergeben zinsgünstige oder gar zinslose Kredite für ein Studium zum Beispiel in Europa oder den USA, verbunden mit der Bedingung, dass man anschließend ins Heimatland zurückkehrt. Ideen kann man auch bei den zahlreichen Stipendienprogrammen der Europäischen Union finden, mit denen der zeitlich begrenzte Austausch von Studenten und Fachkräften verschiedener Berufszweige gefördert wird.

Bei einer Vorlesung für Betriebswirtschaftslehre an der TU Chemnitz sitzen unter den Studenten viele Chinesen (Foto: dpa)
Ausländische Studierende können schon beim Auslandsstudium wichtige Netzwerke knüpfenBild: picture alliance/dpa

Doch einfach ist die Sache mit der Förderung zirkulärer Migration nicht. Denn hier sind ganz unterschiedliche Interessen im Spiel: Viele deutsche Politiker scheuen davor zurück, die Zuwanderungshürden deutlich zu senken, weil sie den Zorn der Wähler fürchten. Denn sie wissen: Viele Menschen bekommen dann Angst, selbst den Arbeitsplatz zu verlieren. Wirtschaftsunternehmen hingegen fordern Erleichterungen, denn sie brauchen mehr hochqualifizierte Migranten. Aber die wollen sie auf Dauer – und nicht auf Zeit.