Brasilien: Streit um ein ausgemustertes Giftmüll-Schiff
3. Februar 2023Einst war die "São Paulo" - damals noch unter dem Namen "Foch" - ein Vorzeige-Schiff der französischen Marine, 37 Jahre stand sie in deren Diensten. Doch als Brasilien den Flugzeugträger 2000 erwarb, hatte der die besten Zeiten bereits hinter sich. Weil eine Modernisierung der brasilianischen Marine zu teuer war, entschied man sich bald, die "São Paulo" wieder loszuwerden.
Im April 2021 dann kaufte die türkische Werft Sök Denizcilik das Schiff, um das Altmetall auszuschlachten. Doch kein Hafen gewährte der "São Paulo" Einfahrt - und so drohte Sök Denizcilik, das Schiff einfach mitten im Atlantik aufzugeben. Brasilien ließ die "São Paulo" schließlich zurückkehren, aber in keinen Hafen einlaufen.
Denn das Schiff droht wegen schwerer Schäden am Schiffsrumpf zu sinken und stellt eine Gefahr für die Umwelt dar. Nach Angaben mehrerer Umweltorganisationen ist der 266-Meter-Koloss mit knapp zehn Tonnen krebserregendem Asbest sowie 644 Tonnen Farben und anderen giftigen Abfällen beladen.
Die brasilianische Marine sieht die Lösung des Problems nun darin, die "São Paulo" kontrolliert zu versenken - in 5000 Meter tiefen Gewässern, 350 Kilometer vor der Küste entfernt, heißt es in einer Mitteilung, weit weg von Naturschutzgebieten und Tiefseekabeln. In Anbetracht des zunehmenden Risikos "aufgrund des immer schlechteren Auftriebs des Schiffskörpers und der Unvermeidbarkeit eines plötzlichen Sinkens" sei ein geplantes und kontrolliertes Versenken die einzige Option, so die Marine.
Umweltverbände fordern Einschreiten Lulas
Protest kommt von verschiedenen Umweltorganisationen. Greenpeace Brasil verfolgt die Bewegungen des Schiffs seit Juli vergangenen Jahres und erklärte gegenüber der DW: "Das Versenken hätte nicht nur erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt, sondern verstößt auch gegen internationale Konventionen und Verpflichtungen, zu deren Einhaltung Brasilien verpflichtet ist."
Viele erwarten ein Einschreiten von Brasiliens neuem Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva, der eigentlich eine ambitionierte Umwelt- und Klimapolitik versprochen hat. Die Nichtregierungsorganisation Shipbreaking Platform etwa rief Lula als Oberbefehlshaber der brasilianischen Marine auf, "sofort einzuschreiten und anzuordnen, die 'São Paulo' nach Rio de Janeiro zu zurückzubringen". Wenn Brasilien das Schiff hingegen "vorsätzlich" versenke, "käme das einem vom Staat in Auftrag gegebenen Umweltvergehen gleich".
Aber auch innerhalb der brasilianischen Behörden selbst herrscht Uneinigkeit. Die dem Umweltministerium unterstehende Umweltbehörde IBAMA äußerte sich höchst besorgt über die geplante Versenkung. Durch letztere könnten unter Wasser Schadstoffe freigesetzt werden, die Tier- und Pflanzenarten schädigen und das Ökosystem zerstören. Die Gase FCKW und HFCKW, die die Ozonschicht auflösen, könnten austreten. Mikroplastik und Schwermetalle des Schiffs könnten Wasserorganismen schaden. Die Marine solle Informationen freigeben, damit Fachleute Alternativen analysieren könnten, um den Umweltschaden zu begrenzen.
Wie es für den seit Monaten ziellos auf hoher See umherfahrenden Flugzeugträger weitergeht, wird sich letztlich vor Gericht entscheiden. Die brasilianische Generalstaatsanwaltschaft hat einen neuen Antrag gestellt, um zu verhindern, dass die Marine die "São Paulo" versenkt. Eine ähnliche Klage war zuvor von einem erstinstanzlichen Gericht abgewiesen worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft fordert, alle Maßnahmen zur Versenkung des einst größten brasilianischen Militärschiffs einzustellen, solange nicht belegt sei, dass dies keine Risiken für die Umwelt oder die öffentliche Gesundheit mit sich bringe.
Ines Eisele (mit Agenturen)