Brasilien wird führender Sojaproduzent
21. Januar 2013Soja ist das Hauptprodukt brasilianischer Landwirtschaft und einer der Exportschlager des Landes. Die Hälfte der Produktion bleibt im Land und wird zu Mehl oder Öl verarbeitet. Die andere Hälfte wird exportiert, vorrangig nach China.
Zusammen mit dem Süden gilt der Zentralosten Brasiliens als Kornkammer des Landes. Das Gebiet lässt Brasilien nun zum größten Sojaproduzenten der Welt werden. Bis zum Jahresende soll es weltweit an erster Stelle stehen - eine Position, die bisher die USA belegte.
Die Gier nach Soja veränderte die Landschaft dieser Region. 1960 wurde offiziell angeordnet, den Wald zu roden, um Soja anbauen zu können. Danach wurde die Region zwangsbesiedelt: die Regierung vertrieb zu diesem Zweck Menschen aus anderen Regionen. Sie drohte damit, ihnen ihr Land wegzunehmen, sollten sie nicht freiwillig umziehen. Jahrzehnte später wuchsen Städte auf den gerodeten Flächen - die typische Vegetation der Region war von der Landkarte verschwunden.
Brasilien profitiert
Rund 83 Millionen Tonnen Sojabohnen sollen vorrausichtlich in diesem Jahr in Brasilien geerntet werden - das würde ein Wachstum von rund 25 Prozent im Vergleich zur vorherigen Ernte bedeuten. Es wird damit gerechnet, dass allein der Zentralosten Brasiliens 60 Prozent des Ertrags erbringt. Im gleichen Zeitraum werden die Vereinigten Staaten, nach Angaben der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), voraussichtlich 78 Millionen Tonnen ernten. Damit lägen sie - bedingt durch eine Dürre - weit unter den ursprünglich erwarteten 87 Millionen.
Der Anstieg der brasilianischen Soja-Produktion beruht auf dem Einsatz neuester Technik und Wiederbewirtschaftung brachliegender Weideflächen. In der Vergangenheit wurden rücksichtslos riesige Waldflächen vernichtet, um Anbauflächen zu gewinnen. Neri Geller, Minister für Agrarpolitik des brasilianischen Landwirtschaftsministeriums, versichert, das sich dies geändert habe. "Es wird keine Waldrodung mehr geben", beteuert er im Interview mit der DW.
Mehr Anbau, weniger Abholzung
Kaum zu glauben, aber wahr: Die Soja-Anbauflächen wachsen und gleichzeitig sind die Waldrodungen rückläufig. Rund 27 Millionen Hektar brasilianischen Bodens bedeckt die Sojabohne in dieser Saison. Das bedeutet einen Anstieg von neun Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes ging hingegen deutlich zurück: Sie sank um 27 Prozent, melden offizielle Zahlen von 2012.
Eine große Rolle spielt hierbei das so genannte Soja-Moratorium. 2006 verpflichteten sich brasilianische Sojaverarbeiter und -händler gegenüber der Regierung und zivilen Organisationen, keine Sojabohnen aus abgeholzten Regenwaldgebieten zu kaufen. Einer aktuellen Bilanz zufolge würden nur 0,4 Prozent der gesamten Sojabohnen auf gerodeten Flächen angebaut, seit das Moratorium in Kraft getreten ist. Jüngst wurde es bis 2014 verlängert.
Rômulo Batista von Greenpeace Brasilien nennt weitere Gründe für diese Entwicklungen. "Eine Erklärung könnte die starke Kontrolle der Regierung sein, die mit Spionagesatelliten arbeitet. Außerdem hat sich das Konsumverhalten der Menschen geändert. Viele haben kein Interesse mehr an einem Produkt, das eine Waldrodung verursacht hat", sagt der Umweltschützer.
Hightech auf dem Land
Noch eine Entwicklung wird durch das Soja-Moratorium begünstigt: Degradierte Weideflächen kommen wieder in Einsatz. "Es handelt sich dabei um Weideland, das bereits seit 20 oder 30 Jahren genutzt wurde und nun nicht mehr brauchbar ist. Jetzt wird dort Soja angebaut", sagt Endrigo Dalcin, Direktor des Soja-Anbauverbands Aprosoja.
Mit Hilfe modernster Technik kann auf den degradierten Böden hohe Produktivität gewährleistet werden. Die Maschinen werden von GPS oder Autopiloten gesteuert. Diese erkennen genau, wo der Boden mehr Dünger benötigt und wo nicht. Die Neuerung spart Geld und wird auch von der Regierung unterstützt: Finanzierungslinien erleichtern den Erwerb von spezieller Ausrüstung sogar für Kleinerzeuger. "Die Technik hilft dabei, den Boden zu bereiten, damit während der Nebensaison Vieh darauf weiden kann", erläutert Neri Geller vom Landwirtschaftsministerium. Diese Verbindung von Ackerbau und Viehzucht wird in Brasilien als Durchbruch gesehen.
Triumph, Expansion und Gefahr
Es wird geschätzt, dass Brasilien noch über 60 Millionen Hektar degradierter Böden verfügt, die für die Landwirtschaft genutzt werden können. "Oder anders gesagt: es ist nicht mehr nötig, Wald abzuholzen", ergänzt Peter Thoenes von der FAO. Dies sei ein unglaubliches Potenzial. "Wir erwarten, dass die Produktion ausgeweitet wird. Keiner der anderen großen Produzenten der Welt, nicht einmal die USA, hat ein ähnliches Potenzial für eine Produktionssteigerung. Dort ist bereits alles ausgeschöpft", so Thoenes.
Nachdem die brasilianische Sojaproduktion mit ihrem "historischen Feind", der Regenwaldrodung, Frieden geschlossen hat, zeigt die Soja-Expansion bereits andere negative Auswirkungen. Der starke Einsatz von Pestiziden und gentechnisch veränderten Pflanzen sind die größten Probleme der Monokultur. Die gentechnisch veränderte Sojabohne ist in Brasilien seit 2005 legal und es wird geschätzt, dass sie 75 Prozent der Gesamtproduktion ausmacht.
"Die Art der Produktion muss überdacht werden um die Nachhaltigkeit der Bodennutzung sowie die biologische Vielfalt der Wälder und der Flächen, die durch Pestizide verseucht werden und die genetische Vielfalt des Getreides zu gewährleisten", betont Rômulo Batista von Greenpeace. Denn neben der führenden Rolle in der Soja-Produktion, ist Brasilien auch die Nummer eins im Einsatz von Pestiziden.
"Noch gibt es keine Untersuchung, die belegen würde, dass die Verwendung der Pestizide sicher ist", betont Bastista. "Sollte das transgene Saatgut in Zukunft als einziges vermarktet und dann von einer unbehandelbaren Krankheit befallen werden, wäre das ein großes Problem", warnt der Umweltschützer.