Brasiliens diplomatischer Drahtseilakt
13. Juli 2014Die Liste der hochrangigen Besucher ist lang: Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Joachim Gauck und Russlands Präsident Wladimir Putin schauen im Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro auch Südafrikas Staatschef, Jacob Zuma, Ungarns Premier Viktor Orbán sowie die Präsidenten von Gabun, Trinidad und Tobago und Haiti das Endspiel Deutschland gegen Argentinien an.
Nur Argentiniens Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner ließ im letzten Moment ihren Besuch absagen und entschuldigte sich aus Krankheitsgründen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie den Zorn argentinischer Fußballfans fürchtet, die in Rio das Endspiel verfolgen. Denn die "Hermanos" sind auf ihre Präsidentin nicht gut zu sprechen.
Suche nach Verbündeten
Ihre Kehlkopfentzündung hinderte Cristina Kirchner allerdings nicht daran, am 12. Juli Russlands Präsident Putin in Buenos Aires zu empfangen. Im Schatten der WM findet dort ein lateinamerikanisches Mini-Gipfeltreffen statt.
Nach Berichten der argentinischen Zeitung "Clarin" hat Präsidentin Kirchner ihre Amtskollegen Evo Morales aus Bolivien, Nicolás Maduro aus Venezuela und José Mujica aus Uruguay zu einem offiziellen Dinner mit Putin in den Regierungspalast eingeladen. Auf der diplomatischen Wunschliste steht eine gemeinsame Erklärung gegen die sogenannten Geierfonds, die die Gefahr eines argentinischen Zahlungsausfalls verstärken.
Während Argentinien sich über den russischen Beistand freut, gerät die lateinamerikanische Rundreise Putins für Brasilien zunehmend zu einem diplomatischen Drahtseilakt. Denn nach brasilianischen Presseberichten soll Putin darauf hinarbeiten, dass in die Abschlusserklärung des Gipfels der BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indiens, China und Südafrika ein gesonderter Absatz zum Konflikt in der Ukraine mit aufgenommen wird.
"Die brasilianische Regierung hat versucht, sich gegen den Druck Russlands zu wehren, doch nur mit mäßigem Erfolg", heißt es in einem Bericht der brasilianischen Tageszeitung "O Globo". In dem geplanten Absatz würden die Sanktionen der EU und der USA gegen Russland verurteilt und auf die Vereinten Nationen als Forum für die Lösung des Konfliktes verwiesen. Gegenüber der DW wollte das brasilianische Außenministerium diese Information allerdings nicht bestätigen.
Druck von der EU
Nach dem BRICS-Gipfel in Fortaleza und Brasilia vom 15. bis 16. Juli wird Brasilien seine Haltung im Ukraine-Konflikt erklären müssen. Denn am 17. Juli trifft EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zu einem viertägigen Staatsbesuch in Brasilia ein.
Ein noch wichtigerer Gast als Barroso dürfte für Brasilien Chinas Präsident Xi Jinping sein, der nach dem BRICS-Gipfel in Fortaleza ebenfalls am 17. Juli in Brasilia zu seinem ersten offiziellen Staatsbesuch eintrifft und eine Rede vor dem brasilianischen Parlament halten wird.
China ist seit 2012 der größte Handelspartner Brasiliens. Der Warenaustausch zwischen beiden umfasst über 80 Milliarden US-Dollar. "Der Staatsbesuch von Präsident Xiping erfolgt just in dem Augenblick, in dem beide Länder das 40-jährige Jubiläum ihrer diplomatischen Beziehungen feiern", erklärt Diplomat José Alfredo Graça Lima aus dem brasilianischen Außenministerium. "Wir setzen darauf, dass sich diese strategische Partnerschaft weiter vertieft."
Indien im Schatten Chinas
Der große Unbekannte im Reigen der hochrangigen Staatsbesuche in Brasilien ist Indiens Premierminister Narendra Modi, der am Rande des BRICS-Gipfels am 16. Juli in Brasilia von Präsidentin Dilma Rousseff empfangen wird. Die beiden Länder mit kontinentalen Ausmaßen arbeiten in mehreren Organisationen zusammen, darunter auch dem Forum Ibas, das die drei Demokratien Indien, Brasilien und Südafrika umfasst. Dennoch ist der politische und wirtschaftliche Austausch zwischen Brasilia und Neu Delhi im Vergleich zu China noch gering.
Der Handel zwischen beiden Staaten umfasst knapp 10 Milliarden US-Dollar und der Staatsbesuch von Dilma Rousseff auf dem Subkontinent liegt bereits drei Jahre zurück. "Indien und Brasilien verfügen über ein außerordentliches Potenzial für bilateralen Handel und Investitionen", heißt es dazu in einer Note des brasilianischen Außenministeriums. Nach dem Ende der WM schlägt in der kommenden Woche die Stunde der brasilianischen Diplomatie.