Brasiliens Justiz jagt korrupte Politiker
17. Februar 2017Hat sich Brasiliens Justiz von Marx und seinem Kommunistischen Manifest inspirieren lassen? "Staatsanwälte aller Länder, vereinigt Euch!" - Nach diesem Motto könnten die Staatsanwälte gehandelt haben, als sie ihre Amtskollegen aus 15 Ländern in die Hauptstadt Brasilia einluden.
Ergebnis des zweitägigen Gipfels: Im größten Korruptionsskandal in der Geschichte Brasiliens, "Lava Jato" (Waschstraße), ermitteln Staatsanwaltschaften aus Lateinamerika, Afrika und Europa nun gemeinsam.
Lob von Transparency International
Nicht nur der Gipfel, auch der langjährige und erfolgreiche Kampf der brasilianischen Justiz gegen Korruption findet weltweit Beachtung. "Das Land, das Korruption exportierte, fängt nun an, den Kampf gegen Korruption zu exportieren", lobt der Vorsitzende von Transparency International, José Carlos Ugaz.
In einer Kolumne für die brasilianische Tageszeitung "O Globo" schreibt der ehemalige Staatsanwalt aus Peru: "Ohne die Ermittlungen brasilianischer Staatsanwälte und die Bekanntmachung der Ergebnisse durch die amerikanischen Justizbehörden wären Untersuchungen in anderen Ländern erst gar nicht in Gang gekommen", ist Ugaz überzeugt.
Zu "den anderen Ländern", deren Regierungen in den Korruptionsskandal um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht verwickelt sein sollen, gehören nach Presseberichten folgende Länder: Angola, Argentinien, Brasilien, Kolumbien, die Dominikanische Republik, Ecuador, Guatemala, Mexiko, Mosambik, Panama, Peru und Venezuela. Unter Verdacht stehen auch Chile, El Salvador, Antigua und Barbuda sowie Portugal.
"Prämie" für Vermittler
Im Zentrum der Ermittlungen, die vor knapp drei Jahren begannen, stehen die Schmiergeldzahlungen von Odebrecht. Die Korruption zur Sicherung öffentlicher Aufträge lief meistens nach dem Motto "erst kassieren, dann umverteilen": So verlangte Odebrecht beim Bau von Straßen, Kraftwerken, Staudämmen oder Fußballstadien überhöhte Preise und zahlte die Differenz dann an diejenigen zurück, die den Auftrag eingefädelt hatten.
Seit dem Beginnn der Operation "Lava jato" hat die brasilianische Justiz 126 Amtshilfegesuche an 33 Länder gerichtet und mit 18 Ländern 28 Abkommen zur Weitergabe von Ermittlungsergebnissen geschlossen. Ergebnis: Umgerechnet 1,8 Milliarden Euro flossen in die öffentlichen Kassen zurück und 25 Milliarden Euro Strafgelder wurden verhängt.
Vorsicht Waschstraße!
Auch wenn es angesichts der Berichte über die zahlreichen Korruptionsskandale in Brasilien und in ganz Lateinamerika merkwürdig anmuten mag: Die am Donnerstag und Freitag in Brasilia versammelten Staatsanwälte verstehen sich als Vorreiter im Kampf gegen internationale Geldwäsche und Korruption.
In der gemeinsamen Erklärung der Generalbundesanwälte aus elf Ländern heißt es: "Auf der Grundlage der UN-Konvention gegen Korruption fördern wir im Fall Lava Jato und Odebrecht die Einrichtung gemeinsamer Ermittler-Teams. Wir ermahnen die Bürger, ihre Strafverfolgungsbehörden im Kampf gegen Korruption zu unterstützen."
Was im Fall von Venezuela, das laut Korruptionsindex 2016 auf Rang 166 von insgesamt 176 untersuchten Ländern liegt, wie Hohn klingen muss, hat für Brasilien (Rang 79) eine etwas andere Bedeutung. Das Land kämpft seit Jahren mit Korruptionsskandalen, die sowohl die brasilianische Arbeiterpartei PT in ihren Grundfesten erschüttert als auch zur Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff im August 2016 geführt haben.
Staatschefs in Erklärungsnot
Beim juristischen Großreinemachen wurden nach Presseberichten bereits 188 Personen verhaftet und 120 Angeklagte verurteilt. Prominentester Straftäter ist Odebrecht-Präsident Marcelo Odebrecht, der im Juni 2015 verhaftet und zu einer Haftstrafe von 19 Jahren und vier Monaten verurteilt wurde. Weil er sich gemeinsam mit leitenden Angestellten zur "Kooperation" mit den brasilianischen Ermittlungsbehörden bereit erklärte, wurde seine Haftstrafe auf zehn Jahre verkürzt.
Über 200 Politiker aus ganz Lateinamerika sollen in den Odebrecht-Skandal verstrickt sein. Zu ihnen gehören Brasiliens Ex-Präsident Luis Inácio Lula da Silva sowie sein aktueller Nachfolger Michel Temer. In Argentinien soll Odebrecht nach Angaben des US-amerikanischen Justizministeriums über Mittelsmänner 35 Millionen US-Dollar (siehe Grafik) an die Regierung von Ex-Präsidentin Cristina Kirchner gezahlt haben.
In Peru stehen die Regierungen der ehemaligen Staatschefs Alejandro Toledo (2001-2006), Alan García (2006-2011) und Ollanta Humala (2011-2016) in Verdacht, Schmiergeldzahlungen angenommen zu haben. In Venezuela soll Odebrecht drei Millionen Dollar für die Kampagnen von Ex-Präsident Hugo Chavez und seinem Nachfolger Nicolas Maduro gezahlt haben. Der jüngste Verdacht richtet sich gegen Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos.
Bessere Kommunikation
Lehrt nun ausgerechnet die als träge und ineffizient geltende brasilianische Justiz korrupte Politiker und Unternehmer das Fürchten? Transparency International-Chef José Ugaz ist überzeugt, dass Brasiliens Staatsanwälte mit dem Ermittler-Gipfel in Brasilia ein neues Kapitel im Kampf gegen Korruption aufgeschlagen haben.
"Gemeinsame Ermittler-Teams existieren in Lateinamerika bisher so gut wie gar nicht. Von ihnen werden nicht nur die Untersuchungen im Fall 'Lava Jato' profitieren, sondern sie werden die Ermittlungen und die Kommunikation zwischen den Staatsanwaltschaften der Länder insgesamt verbessern", ist er überzeugt. "Sie dienen als Vorbild für künftige Ermittlungen im Bereich der organisierten Kriminalität."