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Brasiliens Militär verteidigt Indios

Astrid Prange15. Januar 2014

Aufmarsch am Amazonas: Brasilianische Soldaten erzwingen den Rückzug illegaler Holzfäller und Viehzüchter aus dem Reservat der bedrohten Awá-Indianer im Regenwald.

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Razzia im Urwald: Brasilianische Soldaten stoppen Pick-up-Truck und beschlagnahmen illegal gefälte Bäume (Foto: Silvano Fernandes/Funai)
Bild: Silvano Fernandes/Funai

Nun haben sie es schriftlich. Per Gerichtsentscheid werden seit Mittwoch rund 270 Familien, die sich unrechtmäßig im Reservat niedergelassen haben, aufgefordert, das Schutzgebiet der Awá-Indianer innerhalb von 40 Tagen zu verlassen. Das brasilianische Militär und die Polizei haben ebenfalls im Reservat Quartier bezogen, um die richterliche Anordnung durchzusetzen.

"Alle Siedler müssen das Gebiet verlassen, das hat die brasilianische Justiz angeordnet", erklärt Madelaine Machado, Sprecherin der brasilianischen Indianerschutzbehörde Funai (Fundacão Nacional do Indio). Die rund 120 Soldaten und mehrere Polizeikontingente würden die Sicherheit der Justizbeamten bei der persönlichen Zustellung gewährleisten.

Die militärische Operation ist der Höhepunkt eines langjährigen Konfliktes zwischen brasilianischen Ureinwohnern und zugezogenen Siedlern im Amazonas. Bevor der Stamm der Awá in den 1980er-Jahren zum ersten Mal mit der sogenannten Zivilisation in Berührung kam, zählte das Volk noch über 1000 Menschen. Mittlerweile gehören der Ethnie noch rund 400 Personen an.

Rodungen im Reservat

Seit 2005 steht den Awá ein 1165 Quadratkilometer großes geschütztes Gebiet zu. Doch selbst die Ausweisung des Indianerreservates konnte illegale Rodungen und Viehzucht in dem Gebiet nicht verhindern. Nach Angaben der Indianerschutzbehörde Funai sind mittlerweile 400 Quadratkilometer abgeholzt, dies entspricht mehr als einem Drittel der Fläche des Reservates. Die gerodeten Regenwaldflächen werden als Weideland genutzt.

Karte Awá-Reservat Maranhão Brasilien (Grafik: DW)
Bild: DW

"Die Awá haben keine Möglichkeit mehr zu jagen, und deshalb wird es immer schwieriger für sie, zu überleben", erklärt Sarah Shenker von der Nichtregierungsorganisation Survival International. Viele gingen auch aus Furcht vor bewaffneten Holzfällern nicht mehr auf die Jagd.

Bereits 2012 startete Survival International eine Kampagne, um auf die Situation des bedrohten Indianerstammes aufmerksam zu machen. Die Awá gehören zu den wenigen noch verbliebenen Völkern, die bisher kaum Kontakt mit der sogenannten Zivilisation hatten. Unterstützt wurde die Aktion durch den berühmten brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado, der im Juli 2013 drei Wochen lang den Alltag der Awá beobachtete und in seinen Bildern festhielt. Das Magazin Vanity Fair veröffentlichte dazu in der letzten Dezember-Ausgabe eine 13-seitige Reportage.

Zuckerbot und Peitsche

Die Kampagne zeigte Wirkung. Im Rahmen der Operation, die im vergangenen Jahr mit der Bekämpfung der illegalen Rodungen begann, beschlagnahmte das brasilianische Militär bereits 4000 Kubikmeter Holz. Zudem wurden 27 Sägewerke geschlossen und allein in der zweiten Jahreshälfte von 2013 Bußgelder in Höhe von umgerechnet rund 800.000 Euro verhängt.

Eine Awá-Gruppe auf Nahrungssuche mit Pfeil und Bogen (Foto: Domenico Pugliese/Survival International)
Die Awá brauchen den Regenwald, um sich zu ernährenBild: Survival/D. Pugliese

Bei der letzten Etappe, der Ausweisung aller nicht indigenen Bewohner aus dem Reservat, setzt die brasilianische Regierung auf Zuckerbrot und Peitsche. "Nach der Zustellung des Gerichtsbescheides haben die Familien 40 Tage Zeit, um freiwillig zu gehen", erklärt Madelaine Machado. Erst danach werde die brasilianische Justiz die Räumung und den Abbruch aller Gebäude anordnen.

Brasiliens Justizminister José Eduardo Cardozo will den rund 700 nicht indigenen Landsleuten, die sich unrechtmäßig im Reservat aufhalten, den Rückzug mit der Aussicht auf ein Stück Land schmackhaft machen. Nach Informationen der Funai, die dem Justizministerium untersteht, können Kleinbauern sich auf der Militärbasis für die Vergabe von Landparzellen registrieren lassen. Diese werden im Rahmen der Agrarreform verteilt.

Morddrohungen per Telefon

In der Zentrale der Funai in Brasilia hofft man auf die Einsicht der Eindringlinge. "Dies ist keine Kriegsoperation", beschwichtigt Sprecherin Machado. Die Truppen sollten die Sicherheit sowohl von Indios als auch von illegalen Siedlern garantieren. "Das Klima ist friedlich", garantiert sie.

Funai-Mitarbeiter José Pedro dos Santos, der seit 40 Jahren mit den Awá in ihrem Reservat zusammenarbeitet, sieht das anders. "Die Holzhändler bedrohen uns am Telefon, schicken uns Nachrichten, aber erscheinen nicht vor Ort", erklärt der Ethnologe, der bereits mehrfach Todesdrohungen erhalten hat. "Selbst im Radio sind sie präsent und kündigen an, dass sie sich vom Militär nicht einschüchtern lassen werden. Sie wollen kämpfen".

Auch die Regierung geht auf Nummer Sicher. Zwei Tage vor dem Ausweisungsbefehl ordnete das brasilianische Justizministerium an, dass die nationalen Streitkräfte mindestens drei Monate im Gebiet der Awá stationiert bleiben sollen. Der Einsatz kann verlängert werden, wenn dies notwendig erscheinen sollte.