Neustart für Italiens Banken?
31. Juli 2016DW: Was sind die wichtigsten Ergebnisse des Stresstests der European Banking Authority (EBA)? Gab es Überraschungen?
Zara: Die Ergebnisse fielen insgesamt recht gut aus - sie zeigen die allgemeine Widerstandsfähigkeit des europäischen Bankensystems. Im Grunde waren die Ergebnisse wie erwartet. Überraschungen gab es kaum.
Italienische Banken werden von vielen Analysten als die wahrscheinlichste Quelle der nächsten europäischen Finanzkrise eingestuft. Fünf der 51 großen europäischen Banken, deren Stresstest-Ergebnisse vorliegen, sind italienische. Was sagen uns die Stresstests über deren finanzielle Gesundheit? Und was müsste getan werden, diese noch zu verbessern?
Wie Sie wissen, war Banca Monte dei Paschi di Siena (BMPS) das schwarze Schaf unter den italienischen Banken. Es hat im Test sehr schlecht abgeschnitten. Aber am Freitag Abend, kurz vor Veröffentlichung der Stresstestergebnisse durch die EBA, gab BMPS bekannt, dass es sich mit Investoren auf ein Maßnahmenpaket geeinigt hat, das einige der allergrößte Probleme der Bank beseitigen soll. BMPS hat rund 60 Prozent der notleidenden Kredite weiterverkaufen können und außerdem fünf Milliarden Euro frisches Kapital von Investoren erhalten.
Die Ergebnisse für weitere vier italienische Banken, die im Stresstest-Bericht vorkommen, waren meines Erachtens recht gut. Ihre Kernkapitalquoten lagen im niedrigen bis mittleren Bereich im Vergleich zum Durchschnitt aller 51 getesteten Banken. Aber die Ergebnisse zeigten dennoch, dass diese Institute einen möglichen wirtschaftlichen Abschwung voraussichtlich gut verkraften würden.
Rückstände tilgen
Um die Bilanzen der italienischen Banken weiter zu stärken, wird es wichtig sein, einen Weg zu finden, den Rückstand von notleidenden Krediten aus ihren Bilanzen zu löschen. Etwa dadurch, dass diese zu einem fairen Discountpreis an spezialisierte Anleger weiterverkauft werden.
Die italienische Regierung möchte die Sanierung der unter 360 Milliarden Euro in faulen Krediten ächzenden Banken des Landes mit öffentlichern Geldern unterstützen. Aber die neuen Regeln der europäischen Bankenunion verbietet dies ausdrücklich. Was ist die Lösung in diesem Dilemma?
Wie schon erwähnt, wird es wichtig sein, die Rückstände an faulen Krediten aus den Bilanzen der italienischen Banken weitgehend zu tilgen. Das kann dadurch erreicht werden, dass solche Kredite zum fairen Preis an spezialisierten Investoren weiterverkauft werden. Schließlich wird zumindest ein Teil der Kredite doch noch zurückbezahlt werden, also sind sie nicht wertlos.
Aber was ist ein 'fairer Preis'? Investoren, die auf solche Kreditpakete spezialisiert sind, wollen keinen fairen Preis bezahlen, sondern einen Ramschpreis, um dann fette Gewinne zu erzielen. Aber wenn die Regierung eine Teilgarantie gegen Verluste der Investoren gibt, dann kann doch ein fairer Preis erzielt werden, und dadurch kann eine angeschlagene Bank sich bilanztechnisch besser sanieren.
Viele Leute fanden es sehr unfair, dass Banken nach 2007 mit öffentlichen Geldern gerettet wurden. Sollten es die Steuerzahler oder nicht eher die Investoren und private Gläubiger sein, die die Verluste absorbieren, wenn eine Bank zu untergehen droht? So wie es in den neuen Regeln der Europäischen Bankenunion vorgesehen ist?.
Die Investoren, klar. Aber das Problem ist, dass kollabierende Großbanken durch Ansteckungsgefahren sehr große gesamtwirtschaftliche Schaden verursachen können, wie in Argentinien oder in Falle von Northern Rock in Großbritannien vor wenigen Jahren.
Es ist wichtig zu erkennen, dass ein sehr wichtiger Anteil der faulen Kredite, unter denen die Bilanzen der italienischen Banken leiden, nicht deswegen faul ist, weil italienische Banker korrupt oder unfähig waren. Sondern weil es nach 2008 einen gesamtwirtschaftlichen Rückschlag gab, und dann ab 2011 im Zuge der Staatsschuldenkrise noch einen.
Italien hat gezögert
Damals haben die USA, Großbritannien und Deutschland ihre Banken durch Staatshilfen gerettet und saniert. Italien hat dies nicht getan - die Regierung hat damit gezögert, bis es zu spät war. Die faulen Kredite, die durch diese Krisen verursacht wurden, blieben in den Bilanzen der italienischen Banken. Nun gibt es durch die neue europäische Bankenunion neue Regeln, die solche Staatshilfen, wie sie damals Deutschland unternahm, verbietet. Ist es fair, das Italien nun verboten wird, dasselbe zu tun, was Deutschland vor wenigen Jahren tat?
War es ihres Erachtens also ein Fehler, diese neue Regeln gegen staatliche 'Bailouts' von privaten Banken einzubringen, die dazu gedacht sind, den Steuerzahlern davor zu schützen, die Fehler von Bankern auszubaden?
Nein, es war kein Fehler. Die Absicht war gut, aber wir brauchen etwas mehr Flexibilität. In Fällen wo bankspezifische Probleme, wie etwa schlechtes Management oder dumme Investitionen, zu Verlusten führen, dann ist es richtig, dass Investoren und Gläubiger die Verluste tragen, um den Markt zu disziplinieren.
Aber wenn die Ursachen der faulen Kredite eher systemische Probleme sind, wie etwa eine europaweite oder landesweite Wirtschaftskrise, dann müssen systemische Lösungen angewandt werden, um die Gesamtwirtschaft vor Schlimmerem zu schützen. Dann muss sich manchmal der Staat als Garant einbringen.
Claudio Zara ist Professor für Finanzwissenschaften an der Bocconi-Universität in Mailand.