1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Ermittlung gegen Bremer Abgeordneten

30. August 2018

Nachdem ein Haftbefehl im Chemnitzer Tötungsfall im Netz aufgetaucht ist, ermittelt Bremens Staatsanwaltschaft gegen einen Landespolitiker. Verbände fordern hartes Durchgreifen. In Chemnitz stehen weitere Demos an.

https://p.dw.com/p/341y0
Deutschland Tatort in Chemnitz
Bild: picture-alliance/dpa/J.Woitas

Ein Abgeordneter der Bremer Bürgerschaft soll den geleakten Haftbefehl im Chemnitzer Tötungsfall weiterverbreitet haben. Die Staatsanwaltschaft des kleinsten Bundeslandes ermittelt gegen Jan Timke, der als Vorsitzender der rechtspopulistischen Wählervereinigung "Bürger in Wut" seit 2008 im Landesparlament sitzt. Die Staatsanwaltschaft habe einen Hinweis auf einen Facebook-Post Timkes mit dem Haftbefehl erhalten, sagte Oberstaatsanwalt Frank Passade. Nach Berichten von Radio Bremen durchsuchten Ermittler seine Wohnung. Timke ist Bundespolizist, sein Dienstverhältnis ruht, seit er als Abgeordneter tätig ist. Inzwischen habe er den Haftbefehl von seiner Facebookseite gelöscht, sagte Passade.

Timke war auf dpa-Anfrage zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen, kündigte jedoch bei Facebook an, sich noch im Laufe des Tages zu den Vorwürfen zu äußern. Das Strafgesetzbuch sieht eine Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr für die Veröffentlichung amtlicher Dokumente vor, "bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist". Das könnte auch für den Pegida-Gründer Lutz Bachmann sowie die rechtspopulistische Gruppe "Pro Chemnitz" gelten, die das teilweise geschwärzte Dokument ebenfalls im Internet verbreitet hatten. Wie der Haftbefehl gegen einen der beiden Verdächtigen, die für die Tötung eines 35-Jährigen in der Nacht zum Sonntag in Chemnitz verantwortlich sein sollen, überhaupt ins Internet gelangen konnte, bleibt weiter unklar.

Jan Timke, Kandidat der rechtskonservativen Wählervereinigung Bürger in Wut
Jan Timke von der rechtskonservativen Wählervereinigung Bürger in Wut im Wahlkampf 2008Bild: picture-alliance/dpa/I. Wagner

Forderungen nach entschiedenem Handeln

"Unverantwortlich" nannte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn, die Veröffentlichung des Haftbefehls. Der Vorfall sei geeignet, das Vertrauen in den Rechtsstaat und seine Institutionen zu beschädigen, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Für den Bund Deutscher Kriminalbeamter ist die Veröffentlichung eine "neue Dimension". Verbandsvize Sebastian Fiedler sagte dem Handelsblatt, es sei inzwischen unübersehbar, dass Rassismus und Antisemitismus in Teilen der Gesellschaft "salonfähig" seien. Er forderte "spürbare" Reaktionen der Politik.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte während eines Schulbesuchs in Chemnitz: "Diese Veröffentlichung ist schändlich, und sie ist strafbewehrt". Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren, die Verantwortlichen würden zur Verantwortung gezogen.

Chemnitz - Proteste der Rechten mit Plakat mit blutigen Frauengesichtern
Tausende Rechte hatten sich am Montag zu einer Demonstration in Chemnitz versammeltBild: picture-alliance/AP Photo/J. Meyer

Bürgerdialog und Demonstrationen geplant

Unterdessen kommt Chemnitz auch am vierten Tag, nachdem ein rechter Mob als Reaktion auf den Messerangriff durch die Straßen gezogen war, nicht zur Ruhe. Für den Abend hat die rechte "Pro Chemnitz"-Bewegung zu einer weiteren Kundgebung aufgerufen. Sie soll am Abend in der Nähe des Fußballstadions mit 15.000 Plätzen stattfinden, wo sich Kretschmer und Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) den Fragen der Bürger stellen wollen.

Für Samstag kündigten die AfD und das ausländerfeindliche Bündnis Pegida eine weitere Demonstration in Chemnitz an. Insgesamt sind nach Angaben der Stadt von Donnerstag bis Sonntag inzwischen sechs entsprechende Kundgebungen angemeldet.

Der Freistaat Sachen forderte die Hilfe der Bundespolizei an. Neben den Beamten der Bundespolizei werden künftig Kräfte der Bereitschaftspolizeien Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern, Berlin, Hessen und Thüringen in den Straßen präsent sein.

ehl/uh (dpa, rtr)