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Brenzliger Besuch bei der Sonne

Jonas Schönfelder
18. Juni 2017

Schon bald soll eine NASA-Sonde die Sonne aus einer bislang unerreichten Nähe erforschen. Was genau dort gemessen werden soll, hat uns der Sonnenphysiker Daniel Müller erklärt.

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Symbolbild der NASA-Mission "Parker Solar Probe"
"Parker Solar Probe" soll die Sonnen-Mission der NASA heißenBild: NASA/JHUAPL

Deutsche Welle: Im Sommer 2018 soll die NASA-Mission "Parker Solar Probe" starten. Damit begibt sich zum allerersten Mal eine Sonde in die Atmosphäre der Sonne. Auch die Europäische Weltraumorganisation (ESA) plant eine Sonnenmission, die im Februar 2019 mit dem "Solar Orbiter" beginnen soll. Herr Müller, was macht die Sonne zu so einem beliebten Forschungsziel?

Daniel Müller: Die Sonne befindet sich als einziger Stern so nah an der Erde, dass wir sie im Detail untersuchen können. Anders als bei anderen Sternen können wir nicht nur ihr Licht aus der Ferne untersuchen, sondern wirklich in ihre Nähe fliegen und vor Ort die Teilchen des Sonnenwindes messen. Das ist besonders relevant, weil die Sonne unser Leben auf der Erde überhaupt erst möglich macht und wir deswegen natürlich ein großes Interesse haben zu verstehen, welche physikalischen Prozesse dort ablaufen.

Die "Parker Solar Probe" soll sich der Sonne bis auf etwa 6,5 Millionen Kilometer nähern. Wird's der Sonde da nicht viel zu heiß?

Nein - dank eines speziellen Hitzeschilds. Die Sonde fliegt immer so, dass dieser Hitzeschild direkt auf die Sonne ausgerichtet ist und alle Instrumente dahinter geschützt sind. Er wurde speziell für die Mission entworfen, da die Sonde der bis zu 450-fachen Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist, verglichen mit der Intensität auf der Erde. Die Wärme, die nicht in den Weltraum reflektiert werden kann, also absorbiert wird, heizt dessen Karbonstruktur auf bis zu 1400 Grad Celsius auf. Auf der Rückseite des Schildes bleibt die Temperatur dennoch so niedrig, dass die empfindlichen Geräte arbeiten können.

Was messen die Geräte denn?

Die "Parker Solar Probe"-Mission hat vier Instrumente an Bord. Unter anderem sollen sie Teilchen des Sonnenwindes - vor allem Elektronen und Ionen - messen, um zu verstehen, wie dieser Wind, der von der Sonne und anderen Sternen strömt, funktioniert.

Außerdem gibt es an Bord einen sogenannten Koronographen, der die schwache äußere Sonnenatmosphäre, die Korona, fotografieren kann. Aus dieser geringen Entfernung kann man nämlich keine Kamera direkt auf die Sonne richten, da sie sofort verbrennen würde.

Die Korona, also die äußere Atmosphäre der Sonne, ist mit über einer Million Grad Celsius deutlich heißer als die Sonnenoberfläche mit 6000 Grad Celsius. Wie ist das zu erklären?

Stimmt, damit würde man erst einmal gar nicht rechnen. Hier gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Die vielversprechendste Vermutung ist, dass es mit Magnetfeldern zu tun hat. Die Sonne ist ein magnetisches Objekt, das in einer Art Dynamoprozess durch sich bewegende Ladungen ein Magnetfeld erzeugt. Dieses Magnetfeld kann im Grunde genommen Spannung aufbauen, indem es verdreht wird. Denn die Sonne rotiert, aber nicht wie ein starrer Körper, sondern am Äquator schneller als an den Polen. Die Magnetfeldlinien werden mit der Zeit verdrillt - ein bisschen wie ein Gummiband. Irgendwann schnellt es wieder zurück und gibt große Mengen Energie frei. Die wird wiederum über magnetische Wellen, sogenannte Alfvénwellen, in der Atmosphäre verteilt und heizt sie auf.

Daniel Müller, Projektwissenschaftler der ESA-Mission "Solar Orbiter"
Daniel Müller, Projektwissenschaftler der ESA-Mission "Solar Orbiter"Bild: Ulf Müller

Nun hat die Sonne auch eine große Bedeutung für die Erde - und ihre Bewohner. Können wir durch die Erkundung der Sonne Vorgänge auf der Erde auch besser verstehen?

Ein wichtiges Thema ist der Bereich, der als Weltraumwetter bezeichnet wird. Unsere technologisch hoch entwickelte Zivilisation wird zum Beispiel immer abhängiger von satellitengestützter Kommunikation. Diese Signale in der oberen Erdatmosphäre können durch starke Sonnenaktivität gestört werden. Deswegen ist eines der langfristigen Ziele, die Dynamik der Sonne und das Ausbrechen von Materie, zum Beispiel in Form von Plasmawolken, vorhersagen zu können. Das ist natürlich sehr schwer. Selbst das Wetter auf der Erde mehr als einige Tage vorauszusagen, gelingt uns bisher schließlich noch nicht zuverlässig.

Dennoch versuchen wir, anhand der Daten, möglichst gut zu verstehen, was auf der Sonne passiert. Idealerweise gelingt es uns so, vorauszusagen, welche Schäden an Satelliten auftreten können und rechtzeitig entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Das betrifft unter anderem auch die Sicherheit von Astronauten, die auf der Internationalen Raumstation arbeiten.

Sie arbeiten für die ESA-Mission "Solar Orbiter". Welche Ziele hat sie?

"Solar Orbiter" ist sehr komplementär zu "Parker Solar Probe" und wir arbeiten eng zusammen, um den größtmöglichen Erkenntnisgewinn zu erzielen. Das Hauptaugenmerk bei "Solar Orbiter" liegt darauf, zum ersten Mal Fotos von den Polregionen der Sonne zu machen. Das erwartet man vielleicht nicht, aber wir haben bis heute noch keine Bilder davon, weil alle bisherigen Missionen mehr oder weniger in der gleichen Ebene geblieben sind, in der die Planeten um die Sonne kreisen.

Symbolbild der ESA-Sonde "Solar Orbiter"
Auch die ESA möchte zur Sonne - im Februar 2019 mit der Sonde "Solar Orbiter"Bild: ESA

Es gab in den 80er und 90er-Jahren schon die Mission "Ulysses", ein gemeinsames Projekt der ESA und NASA, die über die Pole der Sonne geflogen ist, aber keine Kameras an Bord hatte. Sie konnte den Sonnenwind über den Polen zwar messen, aber keine Bilder machen. Dazu muss man Schwung holen, was wir an der Venus machen. Das ist so ähnlich wie beim Billard, dass man an einem Planeten vorbeifliegt und einen Teil seiner Gravitationsenergie verwendet, um aus der Umlaufebene herauszufliegen.

Das zweite Ziel ist, auch näher an die Sonne heranzukommen. In Verbindung mit dem Wechsel der Umlaufebene können wir aber nicht so nah heran wie die "Parker Solar Probe". Mit zehn Instrumenten haben wir allerdings deutlich mehr wissenschaftliche Experimente an Bord. Die NASA-Kollegen sind sehr interessiert, mit "Solar Orbiter" gemeinsam zu arbeiten, weil wir die Bilder liefern können für den Kontext, wo ihre Sonde gerade durchfliegt. Dazu gehören Kameras, die die Sonne im optischen als auch im UV-Spektrum fotografieren und das Magnetfeld an ihrer Oberfläche vermessen können.

Der Sonnenphysiker Dr. Daniel Müller ist Projektwissenschaftler der ESA-Mission "Solar Orbiter" und arbeitet am Europäischen Weltraumforschungs- und Technologiezentrum (ESTEC) in Noordwijk, Niederlande.

Das Interview führte Jonas Schönfelder.