Brexit: Afrika zwischen Bangen und Hoffen
28. März 2017Es herrscht eine angeregte Stimmung auf der Wirtschaftskonferenz in Ghanas Hauptstadt Accra. Der British Council, eine Organisation zur Förderung britischer Kultur im Ausland, hat eingeladen. Zu Hunderten sind gerade junge Ghanaer der Einladung nachgekommen. Es wird viel diskutiert über die Frage, wie politische Investoren aus Großbritannien für neue Geschäfte gewonnen werden können. Neue Verträge wären ein wichtiges Signal - gerade jetzt, wo der bevorstehende Brexit bei Großbritanniens afrikanischen Partnern Ängste schürt.
Partnerschaft ohne Umwege
Besonders in den Mitgliedsstaaten des britischen Commonwealth ist man verunsichert. Dazu zählen neben Ghana auch Afrikas führende Wirtschaftsmächte Nigeria, Kenia und Südafrika. Solange Großbritannien der Europäischen Union angehörte, profitierten sie von den Handelsvergünstigungen der EU. Auch ein großer Anteil der Entwicklungshilfe kam bisher aus der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien.
Wenn Großbritannien am 29. März seinen EU-Ausstieg offiziell erklärt, könnte das zu Einschränkungen in den Handelsbeziehungen führen, fürchten viele im afrikanischen Commonwealth. Der ghanaische Analyst Courage Martey zeigt sich trotzdem optimistisch. "Es kann auch für uns von Vorteil sein, wenn wir die Briten direkt ansprechen müssen, anstatt mit der Union zu verhandeln." Zurzeit blieben Ghanas Exporte nach Großbritannien hinter den Importen zurück, sagt Martey. "Wir können da sicherlich für uns etwas mehr herausholen, so dass unsere einheimischen Geschäfte besser laufen."
Briten investieren in Südafrika
Seine Hoffnung ist nicht aus der Luft gegriffen: In Südafrika etwa wirkt sich der Brexit schon jetzt positiv aufs Geschäftsklima aus. "Wir sehen Anzeichen eines stärkeren Interesses bei britischen Firmen, in Südafrika zu investieren", sagt Azar Jammine, Chefökonom des Wirtschaftsberaters Econometrix in Johannesburg. "Sie wollen die Handelsbeziehungen erhöhen, um den Wegfall der bisherigen Handelspartner innerhalb der Europäischen Union aufzufangen."
Natürlich habe der Brexit zunächst einen negativen Einfluss auf das Wirtschaftswachstum der Europäischen Union, räumt Jammine ein. Und auch die EU sei ja ein wichtiger Handelspartner für Südafrika und Zielgebiet für ein Drittel der südafrikanischen Exporte. Aber die Vorteile könnten für Südafrika überwiegen. Denn wenn Großbritannien unter den afrikanischen Commonwealth-Mitgliedern nach neuen Absatzmärkten sucht, könnte das Land am Kap eine Schlüsselrolle spielen, so Jammine: "In vielen dieser Länder sind die Wirtschaftsvolumen nicht so groß wie in Südafrika. Südafrika könnte zur Basis werden, um von hier in die anderen Märkte einzudringen." Positiv dürfte sich hier auch auswirken, dass die größten südafrikanische Firmen einen Sitz in Großbritannien haben.
Suche nach der gemeinsamen Strategie
Doch erst einmal bedeuten die neuen Verhältnisse eine Menge Bürokratie: "Jedes Land muss eine neue Handelsbeziehung aufbauen und Visa beantragen", sagt der Finanzexperte Kasumu Garba Karfi in Nigerias Wirtschaftsmetropole Lagos. Und da sei Großbritannien erst der Anfang: "Andere Länder könnten nachziehen und die EU weiter schwächen." Auch dem nigerianischen Geschäftsmann Benjamin Bako macht die Aussicht einer wegbröckelnden EU Sorge: In der EU habe man zurzeit einen starken Partner, der als Weltmacht nicht ignoriert werden könne. "Wir werden genau hinsehen, wie der Brexit uns betreffen wird, aber die Vorteile einer vereinten EU überwiegen auf jeden Fall gegenüber den Nachteilen."
Um die bevorstehenden Schwierigkeiten zu überwinden, müssten afrikanische Länder auf die richtige Strategie setzen, sagt Brian Wanyama von der Kibabii-Universität im Westen Kenias. "Die EU war ein starker Block und es galt ein Abkommen im Handel mit der EU. Nun müssen alle afrikanischen Länder einzeln neue Abkommen mit den Briten aushandeln. Das kostet Zeit und Energie." Die Länder des Commonwealth müssten sich zusammentun und als Block mit Großbritannien verhandeln: "So werden sie einen besseren Deal mit Afrika hinbekommen. Wenn sie einzeln verhandeln, können sie nur verlieren."
Mitarbeit: Mansour Bala Bello, Isaac Kaledzi, Sarah Steffen