Brexit: Der Kampf geht weiter
1. April 2019EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will sich nicht in die Frage eines möglichen zweiten Brexit-Referendums einmischen. Darüber müsse allein das britische Volk entscheiden, sagte Juncker dem italienischen TV-Sender RAI. Er bekräftigte zudem frühere Aussagen, wonach das Parlament in London bislang zwar klargemacht habe, was es nicht wolle. Offen bleibe aber, welche Wege es unterstützen würde. Er würde es begrüßen, wenn es in den kommenden Stunden oder Tagen zu einer Vereinbarung zwischen Großbritannien und der EU komme.
An diesem Montag berät das britische Unterhaus abermals über einen Alternativplan zu dem von Premierministerin Theresa May ausgehandelten Austrittsvertrag. "Es gibt keine idealen Alternativen und es gibt derzeit gute Argumente gegen jedes mögliche Resultat der Abstimmungen, aber wir müssen etwas machen", sagte Justizminister David Gauke der BBC mit Blick auf die Beratungen. Die Debatte ist bis 17.00 Uhr (MESZ) angesetzt.
Am vergangenen Freitag hatten die Abgeordneten den Austrittsvertrag zum dritten Mal durchfallen lassen. May hatte kurz zuvor ihren Rücktritt angeboten, um Kritiker auf ihre Seite zu ziehen. Nun hat sie weniger als zwei Wochen Zeit, um die anderen 27 EU-Staaten davon zu überzeugen, dass sie die Blockade noch lösen kann. Andernfalls muss die Regierungschefin eine weitere - diesmal deutliche - Verschiebung des Austrittstermins beantragen oder ihr Land am 12. April ohne Abkommen aus der Europäischen Union führen. Bei einem solchen ungeregelten Brexit werden chaotische Folgen für die Wirtschaft und andere Lebensbereiche befürchtet.
Über das Wochenende blieb unklar, mit welcher neuen Strategie May sich nun um eine Mehrheit für ihren Deal bemühen wird. Der Generalsekretär ihrer Konservativen Partei, Brandon Lewis, sagte BBC-Radio, alle Optionen seien zu prüfen. Der Zeitung "Sunday Times" zufolge droht May ein Auseinanderbrechen ihrer Regierung, sollte sie ihren Deal nicht doch noch durchs Parlament bringen. Entscheide sie sich für einen Austritt ohne Vertrag, würden mindestens sechs pro-europäische Minister ihre Ämter aufgeben. Lasse die Premierministerin sich dagegen auf eine Zollunion mit der EU ein oder eine lange Verschiebung des Austritts, drohe der Rücktritt von mehreren Brexit-Anhängern in der Regierung.
Vergangene Woche hatte eine Unterhaus-Debatte über diverse Alternativ-Vorschläge keine Mehrheit ergeben. Beobachter halten es für möglich, dass sich die Abgeordneten nun auf eine der Varianten einigen könnten, die am besten abgeschnitten hatten. Dazu gehören die Vorschläge, dass Großbritannien dauerhaft in einer Zollunion mit der Europäischen Union bleibt oder dass die Briten in einem neuen Referendum über den Deal entscheiden. Die Idee der Zollunion wird insbesondere auch von Abgeordneten der oppositionellen Labour-Partei unterstützt und gilt als bevorzugte Variante vieler Unternehmer.
Brexit-Unterstützer sind jedoch dagegen, weil Großbritannien damit die Möglichkeit genommen würde, eigene Handelsvereinbarungen zu schließen. Der Zeitung "Sun" zufolge haben 170 der 314 konservativen Abgeordneten May einen Brief geschrieben, in dem sie auf einen EU-Austritt in den kommenden Monaten drängen - selbst wenn das einen harten Brexit bedeuten würde.
Der Plan, der an diesem Montag die meisten Stimmen erhält, könnte dem Parlament am Dienstag in einer Stichwahl gegen Mays Abkommen vorgelegt werden, berichtete die Zeitung "Mail on Sunday". Gegebenenfalls könnten dann bereits am Mittwoch Neuwahlen anberaumt werden, hieß es ohne Quellenangabe. Diesem Vorgehen müssten zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen. Mays Berater seien jedoch uneins, ob die Regierungschefin diesen Schritt gehen soll, berichtete das Blatt.
Eine Meinungsumfrage im Auftrag der Zeitung ergab, dass Labour fünf Prozentpunkte Vorsprung vor den Konservativen hat. Presseberichten zufolge sind führende Tories gegen Neuwahlen, weil sie eine krachende Niederlage fürchten.
stu/wa (rtr, afp, dpa)