"Briefmarken" für E-Mails
7. Oktober 2002Mit Yahoo hat kürzlich der erste Anbieter seinen bisher kostenlosen E-Mail-Service eingeschränkt. Auch wenn viele deutsche Unternehmen eine Einführung von Gebühren für die Versendung von E-Mails vorerst ausschließen - der Trend geht zu kostenpflichtigen Zusatzangeboten.
Werbung allein reicht nicht
"Wir befinden uns in einer Übergangsphase", sagt Harald Summa, Geschäftsführer des Verbandes der Deutschen Internet-Wirtschaft in Köln. "Die Bemühungen der Anbieter sind groß, aus den kostenlosen Diensten auf lange Sicht kostenpflichtige zu machen", beschreibt Summa die derzeitige Marktlage. Zwar rechnet er nicht mit einer
schnellen Umstrukturierung, die Weichen für eine Änderung sieht er jedoch bereits gestellt.
"Noch basieren die Gratis-Angebote auf Werbung. Angesichts der schlechten Situation in der Werbebranche und gestiegener Technikausgaben werden sich Gratis-Mails für die Anbieter auf Dauer nicht mehr lohnen", prognostiziert der Fachmann, dessen Verband sich zum Ziel gesetzt hat, die kommerzielle Nutzung des Internet voranzutreiben. Da die Werbeeinnahmen der Unternehmen allmählich versiegten, seien die kommerziellen Anbieter auf der Suche nach neuen Finanzierungsquellen.
Die unbekannte Variable im E-Mail-Geschäft bleibt die Reaktion der Verbraucher. Laut einer Untersuchung des Frankfurter Meinungsforschungsinstituts "speedfacts" würden 68 Prozent der Nutzer den Anbieter wechseln, wenn für den bis dahin kostenlosen Mailservice Gebühren anfielen.
Amerikaner zahlen schon
Nachdem das amerikanische Internetportal Yahoo Teile seines E-Mail-Angebotes kostenpflichtig gemacht hatte, beeilen sich viele deutsche Anbieter zu versichern, dass sie in absehbarer Zeit keine ähnlichen Pläne hätten. Von der Umstrukturierung bei Yahoo sind all jene Nutzer betroffen, deren E-Mail-Adressen wie in den USA auf yahoo.com enden.
Bei yahoo.de hat sich noch nichts geändert. Aber wenn man den verfügbaren Speicherplatz von sechs MB auf zehn MB
erweitern will, kostet dies monatlich 0,79 Euro. Patricia Rohde von Yahoo Deutschland erklärt: "Wir müssen uns - und da tun sich die Amerikaner viel leichter - umstellen und akzeptieren, dass höherwertige und nutzenbringende Angebote im Internet nicht gratis sind."
Ähnlich wird bei web.de aus Karlsruhe verfahren. Zwar versichert Sprecherin Eva Vennemann: "Unser E-Mail-Angebot bleibt kostenlos." Doch für mehr Speicherplatz wird auch bei web.de eine feste monatliche Gebühr fällig.
Gleich drei verschiedene Tarife bietet das Münchener Unternehmen GMX seinen Kunden an: Dabei steht ein kostenloses, aber abgespecktes Angebot zwei kostenpflichtigen Modellen gegenüber, die zahlreiche
Sonderfunktionen besitzen. Weniger als ein Prozent der Kunden nutzen bislang die kostenpflichtigen Angebote. Es sei aber ein zunehmender Zuspruch für bezahlte Dienste zu registrieren, sagt Geschäftsführer Joachim Hofmann. Viele Kunden seien bereit, für Extras wie Werbefreiheit zu zahlen - Tendenz steigend.
Der Trick mit dem Gesamtpaket
Gebührenpflichtige Zusatzfunktionen wie größere Speicherkapazität oder Virenschutz werden von vielen Gratismail-Anbietern als Lösung für die finanziellen Engpässe gesehen. Ein kostenpflichtiges Rahmenprogramm mit Fax oder SMS ergänzt immer häufiger den kostenlosen E-Mail-Zugang. "Hat sich dieses Verfahren erst etabliert, werden die Anbieter wahrscheinlich versuchen, all ihre Leistungen als kostenpflichtiges Gesamtpaket zu verkaufen", vermutet
Summa. Nach einer Umfrage des Hamburger Instituts EARSandEYES würden insgesamt 38 Prozent der über 1.000 Befragten für E-Mails zahlen, wenn ihnen keine kostenlosen Alternativen mehr zur Verfügung stünden.
Vorreiter SMS
Wie plötzlich der Wechsel von kostenfrei zu kostenpflichtig gehen kann, hat das Verschicken von SMS-Kurzmitteilungen über das Internet gezeigt: Nachdem die Mobilfunkanbieter zum Ende des vergangenen Jahres ihre Preise erhöht hatten, holen sich diverse Anbieter ihre Kosten nun über Monatsbeiträge oder Einzelgebühren von den Internet-Nutzern zurück.