Brisante Antisemitismus-Studie
5. Dezember 2003Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA verstärkten die Mitgliedsstaaten der EU ihre Bemühungen, antimuslimische Strömungen in Europa zu unterbinden, bald stellten sie aber fest, dass auch antijüdische Vorfälle sich zu häufen begannen. Das "Europäische Zentrum zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" (EUMC) in Wien gab eine Untersuchung über den Antisemitismus in Europa in Auftrag, die im Februar diese Jahres fertig war, vom EUMC jedoch zurück gehalten wurde. Seit vergangenem Dientag ist das 100 Seiten starke Dokument im Internet abrufbar – unautorisiert.
Antijüdisch oder antisemitisch?
Die Untersuchung verzeichnet vor allem einen Anstieg antijüdischer Vorfälle in vielen europäischen Ländern, wenngleich es Unterschiede von Land zu Land gab und eine Abgrenzung zwischen antijüdischen Vorfällen als Folge der Krise im Nahen Osten und antisemitisch motivierten Übergriffen nicht immer eindeutig war. Laut Studie seien jedoch überproportional häufig Muslime an antisemitischem Vorgehen beteiligt gewesen.
Ganz offensichtlich fürchteten die Auftraggeber der Studie, dass ein zu deutlicher Hinweis auf solche Täter ein zu krasser Verstoß gegen die "political correctness" wäre, und zusätzliche Islamophobie schüren könnte. Mit dem Verschluss der Studie wurde aber eher das Gegenteil erreicht: Es wurde spekuliert, dass noch ganz andere, unangenehme Dinge enthalten seien, die die EU nun lieber nicht veröffentlichen wollte, nachdem sie ohnehin zunehmenden Vorwürfen ausgesetzt war, die Kritik an der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern entspringe eigentlichem Antisemitismus.
Genau das aber stellt die Studie nicht fest. Sie schließt zwar antisemitische Gedanken bei manchen Israel-Kritikern nicht aus, aber sie zeigt doch auch, dass der Bogen sehr weit zu spannen ist: Von "klassischem" Antisemitismus der Rechten bis hin zu anti-jüdisch/anti-israelischer Kritik der Linken und der Globalisierungsgegner, die hierbei auch noch die USA einbezögen bis hin zu den antiisraelischen Muslimen, die ihre Wut an Juden ausließen. Deutschland kommt in der Studie relativ gut weg, weil man hier sehr aufmerksam und wachsam geworden sei. Ausführlich wird aber auch hier auf die Affären Möllemann und Karsli hingewiesen, die letztes Jahr große Schlagzeilen machten.
Ein Thema unter Vielen
In anderen Ländern sei die Lage anders, meint Werner Bergmann, Forscher des Berliner "Zentrums für Antisemitismusforschung", im Zusammenhang mit antijüdischer Gewaltanwendung oder Propaganda von muslimischer Gruppen seien Frankreich, die Niederlande, Belgien, partiell auch England häufig genannt worden, während dies in Ländern wie Irland, Finnland oder Griechenland kaum eine Rolle gespielt habe. Bergmann bedauert jedoch die Art und Weise, auf die die Studie an die Öffentlichkeit gelangte: "Die Untersuchung 'muslimischer Antisemitismus in Europa' ist nur ein Thema unter vielen. Wir haben Antisemitismus im Internet, in der Presse, oder etwa in den Massenmedien untersucht", sagt Bergmann. Dass jetzt nur ein Teilaspekt heraus gegriffen wurde, erwecke einen völlig falschen Eindruck.