Brutale Vergewaltigung erschüttert Indien
20. Dezember 2012Das Krankenhaus in Singapur, in das das Opfer eingeliefert worden war, gab am Freitag (28.12.2012) weitere Erkrankungen und Verletzungen bekannt. Zusätzlich zu ihrem Herzstillstand habe die 23-Jährige eine Lungen- und eine Unterleibsentzündung sowie Gehirnverletzungen erlitten, erklärte ein Sprecher des Krankenhauses. "Die Patientin kämpft gegen alle Widrigkeiten, sie kämpft um ihr Leben." Außerdem habe die Patientin vor ihrer Verlegung bereits drei Operationen am Unterleib gehabt, hieß es weiter.
Die indische Rettungssanitäterin und ihr Freund waren nach dem gemeinsamen Kinobesuch am Sonntag (16.12.2012) auf dem Heimweg. Die beiden stiegen in einen privaten Bus ein, nichts Ungewöhnliches in Neu Delhi. Diesmal aber wurde es ein Albtraum: Die beiden wurden von mehreren angetrunkenen jungen Männern mit Eisenstangen geschlagen, die junge Frau wurde mehrfach vergewaltigt, während der Bus seine Fahrt durch die Stadt fortsetzte. Anschließend stieß man die schwer Verletzten auf die Straße.
"Justiz ist zu träge"
Gleichzeitig forderten Frauenaktivistinnen in Indien eine Verschärfung der Strafen für Vergewaltigung und einen besseren Schutz für Frauen. Sunanda Mukherjee, Vorsitzende der Frauenkommission in Westbengalen, forderte die Anwendung der Todesstrafe: "Der Vergewaltiger sollte gehängt werden. Es gibt noch die Todesstrafe in unserem Land." Die Hinrichtung sollte öffentlich stattfinden, forderte Sunanda Mukherjee weiter.
Die Aktivistin Ranjana Kumari hält die Forderung nach der Todesstrafe angesichts der aufgewühlten Emotionen für verständlich. Manche Befürworter der Todesstrafe glaubten wohl auch, jetzt sei ein günstiger Zeitpunkt, sie einzufordern. "Aber so einfach ist das nicht. Die Todesstrafe wird nur selten vollstreckt, seit der Unabhängigkeit Indiens erst 45 Mal", gibt Ranjana Kumari zu bedenken.
Für die Anwältin Karmini Jaiswal sollten nicht Rache, sondern Prävention und gerechte Strafe zugleich im Vordergrund stehen. Die Räder des Justizsystems mahlten zu langsam, sagt sie. "Die Umsetzung der Gesetze ist mangelhaft, die Gesetze selbst sind es nicht." Bis zu einer Verurteilung dauere es oft Jahre, so dass die Angst der Täter, ins Gefängnis zu kommen, nicht besonders groß sei. Karmini Jaiswal sieht eine gesunkene Hemmschwelle gegenüber diesem Verbrechen, nicht zuletzt wegen der Perspektivlosigkeit vieler junger Männer. Die offizielle Zahl der Vergewaltigungen in Indien hat sich zwischen 1990 und 2008 verdoppelt.
"Männer durch moderne Frauen provoziert"
Für die indische Journalistin Usha Rai sind unterschiedliche gesellschaftliche Stellungen der Geschlechter ein Grund für die Bedrohung der Frauen in Indien: "Besonders in den Außenbezirken der Hauptstadt ist es unsicher für Frauen. Frauen in Vororten wie Noida, Ghaziabad and Gurgaon sind heutzutage gut ausgebildet und haben ihren Lebensstil geändert, sie ziehen sich anders an als früher." Die Männer seien dagegen in konservativen Rollenbildern verhaftet, so Usha Rai im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Vorsitzende der Frauenkommission aus Westbengalen, Sunanda Mukherjee, bringen solche Erklärungen in Rage: "Warum dürfen Frauen abends nicht ausgehen? Warum soll ich als Frau meinen Körper nicht zeigen?" Sie wolle als Frau und Mensch respektiert werden, schließlich lebe man nicht mehr in der Wildnis.
Die Chefin der Kongresspartei, Sonia Gandhi, hat die schwer verletzte Frau unterdessen im Krankenhaus besucht. Sie sprach von einer "Schande für die Hauptstadt" und forderte eine konzertierte Aktion, um solche Verbrechen zu bekämpfen. Ministerpräsident Manmohan Singh stimmt vorbehaltlos zu. Aber trotz der verbalen politischen Unterstützung furchten viele Frauen, dass die Behörden wie in der Vergangenheit das Problem nicht ernst nehmen werden.
Erst vor kurzem hatte die Chefministerin der Hauptstadt, Sheila Dikshit, die Stadt als "sicher für Frauen" bezeichnet. Und das, obwohl 2011 offiziell 572 Fälle von Vergewaltigungen in Neu Delhi registriert wurden. Das Oberste Gericht in Neu Delhi gab unterdessen die Einrichtung von fünf Sondergerichten bekannt, die im Eilverfahren Sexualtäter aburteilen sollen. Außerdem kündigte Innenminister Sushilkumar Shinde an, Busse mit Gardinen oder Sichtschutzscheiben aus dem Verkehr zu ziehen. Das Verbot gibt es allerdings schon länger.